1. #TopBusinessTalk in der Villa Wollner
Beim ersten #TopBusinessTalk in der Villa Wollner lud die Steuerberatungsgesellschaft SLR Consilium zu einem interessanten Abend zum „Thema Sanierung / Restrukturierung / Insolvenz – Krise als Chance“. Über 50 Gäste machten das Event zu einem rundum gelungenen Erlebnis. Auf dem Gesprächspodium nahmen mit Lutz Schmidt von SLR Consilium, WP Daniel W. Flade von der eXnet audit gmbh wpg, Niederlassung Chemnitz, Consultant Bernhard Kaluza sowie der Fachanwalt für Insolvenzrecht Hermann Kulzer eine illustre Expertenrunde zum Thema „Krise als Chance“ Platz. Es entwickelte sich ein interessantes und erhellendes Gespräch, in dem etwa das Schutzschirmverfahren und die Eigenverwaltung im Insolvenzfall erklärt wurden. Für musikalische Untermalung im wunderschönen Ambiente der Villa Wollner sorgte der Gitarrist Brian von der Dresdner Rockband Staff. Kulinarische Feinheiten kamen von den Küchenzauberern der Canapé Manufaktur, die unter Zuhilfenahme von Produkten verschiedener Partner der Veranstaltung ein Flying Buffet zum Niederknien kredenzten.
„Sanierung / Restrukturierung / Insolvenz – Krise als Chance“
Im Gespräch mit Lutz Schmidt, Bernhard Kaluza, Daniel W. Flade und Herrmann Kulzer
Was raten Sie Ihren Mandanten, wenn erste Warnzeichen für eine Krise wahrgenommen werden?
Lutz Schmidt (SLR Consilium Steuerberatungsgesellschaft mbH): Schon bei ersten Krisensignalen sollte mit dem Steuerberater und Rechtsanwalt gesprochen werden, um alle Möglichkeiten zu erörtern. Oft sind es Scham oder Unwillen, die Betroffene davon abhalten, solche Gespräche zu suchen. Dabei meine ich, dass eine Sanierung oder Insolvenz keine Schande ist. Viele Unternehmen kommen in solch eine Situation. Häufig ist ein Sanierungs- oder Insolvenzverfahren eine gute Möglichkeit zu einem geregelten und nachhaltigen Neuanfang.
Ist ein Steuerberater in der Sanierung oder Insolvenz überhaupt notwendig?
Lutz Schmidt: Sowohl im Sanierungsfall als auch in einem eröffneten Insolvenzverfahren sind die steuerlichen Pflichten weiterhin zu erfüllen. Gleichzeitig sind die Regelungen des Insolvenzrechtes zu beachten. Aufgrund der fehlenden Harmonisierung des Insolvenz- und Steuerrechts ist für den erfolgreichen Abschluss eines Sanierungs- oder Insolvenzverfahrens ein Zusammenarbeiten von Insolvenzverwalter, Sanierungs- und Steuerberater unbedingt zu empfehlen.
Welche wesentlichen Vorteile bietet eine Eigenverwaltung?
Bernhard Kaluza (KALUZA Consult GmbH): Der Unternehmer behält die operative Kontrolle über das Unternehmen. Für Kunden und Lieferanten bleibt das Unternehmen der Ansprechpartner. Man geht bei einer Eigenverwaltung grundsätzlich von einer Sanierung des Unternehmens aus. Das schafft Vertrauen, auch bei den Mitarbeitern. Darüber hinaus erhalten Gläubiger in der Regel höhere Quoten als bei fremdverwalteten Insolvenzen.
Ab welcher Betriebsgröße ist eine Eigenverwaltung bei einem Insolvenzverfahren sinnvoll?
Bernhard Kaluza: Da gibt es keine Untergrenze. Problematisch ist, dass meist mit den Sanierungsberatern Großstrukturen zum Einsatz kommen, deren Kosten für kleine Unternehmen nicht zu stemmen sind und die ich oft auch für fragwürdig halte.
Schutzschirm und Eigenverwaltung klingen gut, besser als Insolvenzverfahren. Wie läuft so ein Fall typischerweise ab?
Wirtschaftsprüfer Daniel W. Flade (eXnet audit gmbh wirtschaftsprüfungsgesellschaft): Sie sprechen ein wesentliches Element an: Insolvenzverfahren sind in Deutschland leider negativ konnotiert, die Begriffe Schutzschirm und Eigenverwaltung hingegen nicht zwangsläufig – es sind aber Insolvenzverfahren! Ziel eines Eigenverwaltungsverfahrens ist die gerichtliche Sanierung des Unternehmens. Dies geschieht mit Hilfe eines Insolvenzplans mit umfangreichen Sanierungsmaßnahmen. Das allein wäre auch im Regelverfahren möglich. Wichtig ist, dass das Verfahren durch die Schuldner bzw. das Unternehmen gesteuert wird. Hierzu bedarf es der externen Hilfe eines Sanierungsgeschäftsführers bzw. Bevollmächtigten. Im Falle des Schutzschirmverfahrens muss noch eine Bescheinigung eines Sachverständigen erstellt werden, die belegt, dass beim Unternehmen keine eingetretenen Insolvenzantragsgründe vorliegen und die Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist.
Können Sie kurz und knackig die Unterschiede zwischen der „normalen“ EV und dem Schutzschirmverfahren nennen?
Daniel W. Flade: Gemein ist beiden Verfahren, dass die Insolvenzschuldnerin das Verfahren steuert. Die Eingangsschwelle ist beim Schutzschirm höher. Der Verwalter überwacht nur und wird im Falle des Schutzschirmverfahrens durch den Insolvenzschuldner bestimmt, bzw. im Falle der Eigenverwaltung durch Gericht und Gläubigerausschuss. Im Schutzschirmverfahren sind die Gläubiger bereits im Antragsverfahren besonders geschützt, bekommen also definitiv ihre Forderungen. Am Ende steht bei beiden Verfahren die Eröffnung des Verfahrens. Zu diesem Zeitpunkt muss im Schutzschirmverfahren zwingend ein Plan vorliegen.
Herr Kulzer, als Fachanwalt für Insolvenzrecht ist Ihr Hauptthema die Vermeidung von Insolvenzverschleppung. Wo sehen Sie den aktuellen Bezug zu dem Thema?
Hermann Kulzer (Kulzer Rechtsanwälte – Insolvenzrecht, Handel- und Gesellschaftsrecht, Wirtschaftsmediation): Ich bin nicht nur als Insolvenzverwalter, sondern auch als Berater in der Krise und als Strafverteidiger bei Insolvenzstraftaten tätig. Aufgrund von Corona hat der Gesetzgeber Kapitalgesellschaften aktuell die Möglichkeit eingeräumt, trotz vorliegender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bis 30. September keinen Insolvenzantrag zu stellen. Die Aussetzung gilt aber nur für Unternehmen, die nicht schon vor der Pandemie insolvent waren und sanierungsfähig sind. Normal muss innerhalb von drei Wochen nach Eintritt der Insolvenzreife die Insolvenz eingeleitet werden.
Wurde diese Frist der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nicht verlängert?
Hermann Kulzer: Die Regierung hatte die Möglichkeit, die Aussetzung bis zum 31. März 2021 zu verlängern, hat sich aber dagegen entschieden.
Interview: Philipp Demankowski