Im Licht

Im Licht. 40 Jahre Dresdner Musikfestspiele vom 18. Mai bis 18. Juni 2017 Top Magazin Dresden sprach mit dem  Intendanten Jan Vogler

Seit 2009 hat der Ausnahme-Cellist Jan Vogler die Intendanz der Dresdner Musikfestspiele inne. Das vorher durch unruhige Gewässer schwimmende Traditionsfestival ist seitdem wieder auf Kurs, sowohl hinsichtlich der Qualität des Pro­gramms, als auch bei den Besucherzahlen. Vom 18. Mai bis 18.Juni wird nun der 40. Festivaljahrgang stattfinden, der unter dem Motto „Licht“ steht. Das Programm kann sich sehen lassen, und mit dem Kulturpalast kehrt die Geburtsspielstätte der Musikfestspiele zurück. Themen für ein ausführliches Gespräch gibt es also genug. Top Magazin erwischte Jan Vogler vor einem Auftritt in New York, um über das Gestern und Heute der Musikfestspiele zu sprechen.

Top: Welche Kriterien haben die Auswahl der Künstler 2017 bestimmt? Wie haben Sie sich dem Motto „Licht“ genähert?

Jan Vogler: Zunächst einmal haben die Künstler, die bei den Dresdner Musikfestspielen auftreten, immer auch einen Bezug zum Motto. Einerseits, wie im Falle von Cameron Carpenter oder Martin Grubinger, indem sie durch ihre Persönlichkeiten neue Impulse in die Klassikszene bringen. Ich nenne sie in diesem Zusammenhang auch gern Lichtgestalten der Gegenwart. Auf der anderen Seite spiegeln natürlich die Programme das Motto „Licht“ wider, etwa mit Werken, die die Musikgeschichte in neuem Licht erscheinen ließen. Ein schönes Beispiel dafür ist die Oper „Leonore“, die Urfassung von Beethovens „Fidelio“, die wir mit unserem Festspielorchester aufführen werden: ein bahnbrechendes Werk, mit dem Beethoven seine Begeisterung für die französische Revolution zum Ausdruck gebracht hat.

Top: Steht die Ermittlung des Mottos immer am Anfang der Programmkonzeption?

Jan Vogler: Ja, die Ausarbeitung des Mottos ist immer der erste Schritt bei der Programmplanung. Denn das Motto gibt vor, in welche Richtung die Musikfestspiele gehen sollen. Wenn man ein Motto hat, weiß man, wonach man suchen sollte. Exem­plarisch etwa 2015 bei FEUER UND EIS, als wir Stücke und Künstler aus den nordischen Ländern mit Komponisten aus mediterranen Gefilden in Dialog gebracht haben.

Top: Was verbinden Sie mit dem Motto „Licht“ auf der gesellschaftlichen Ebene? Dresden hat in der jüngeren Vergangen­heit und gegenwärtig viele Kontroversen auszuhalten. Haben diese Ereignisse eine Rolle gespielt?

Jan Vogler: Absolut. Mir ist es wichtig zu betonen, dass Kultur eine Funktion in der Gesellschaft hat. Sie richtet das Licht, um im Bild zu bleiben, auf die Aufklärung und den Fortschritt. Ich glaube, im Moment sucht Dresden seine Zukunft, wobei es den einen oder anderen Rückschritt gibt. Wir wollen mit den Mu­sik­festspielen bei dieser Suche helfen. Wir können beispielsweise durch inspirierende Aufführungen zeigen, dass die Globali­sierung in der Musik gar nicht so ein hässliches Gesicht hat.

Top: Haben Sie das Gefühl, dass Sie von der Stadt ausreichend unterstützt werden in dem Zusammenhang? Es gab im letzten Jahr Diskussionen um eine Budgetkürzung bei der Bespielung des Kulturpalasts.

Jan Vogler: Es gab tatsächlich eine offene Diskussion, die ja auch durch die Presse gegangen ist. Ich bin immer dafür, dass man solche Dinge transparent und faktenorientiert bespricht. Aber seitdem können wir durchaus vermerken, dass wir im Dialog mit der Stadt mehr und mehr zu einem Konsens gefunden haben.

Top: Ein wichtiger Programmbaustein ist das im letzten Jahr erstmals forcierte Projekt „Klingende Stadt“. Warum ist das Konzept für Dresden wichtig?

Jan Vogler: Weil wir eine absolute Kulturstadt sind, was in den letzten Jahren durch die negativen Nachrichten aus Dresden ein wenig in Vergessenheit geraten ist. Jeder fünfte Dresdner hatte einmal oder steht immer noch in Berührung mit einem Instrument. Das ist hoch im internationalen Vergleich. Auch der Prozentsatz der Menschen, die in Konzerte gehen, ist in Dresden sehr hoch. Wir sind also durchaus eine musikbegeisterte Stadt. Das wollten wir mit dem Projekt „Klingende Stadt“ ins Bewusstsein rücken und Musikern eine Plattform bieten, die sich in Amateurorchestern, in Chören oder kleinen En­sembles einbringen und mit Begeisterung Musik machen. Der Gedanke dahinter ist, aufzuzeigen, dass uns Musik viel eher verbindet als etwa demonstrative Spaziergänge am Montag.

Top:  Wie haben Sie die Aktion 2016 wahrgenommen?

Jan Vogler: Es war sehr schön, an diesem Nachmittag war tatsächlich die ganze Stadt voller Musik. Im Prinzip ist die „Klingende Stadt“ ja eine Erweiterung des Formats „Dresden singt und musiziert“, das von den Dresdnern immer schon stark frequentiert wurde. Bei buchstäblich jedem Wetter haben die Dresd­ner mitgesungen. Der Funke ist auch bei der Klingenden Stadt 2016 gleich übergesprungen, alle Mitwirkenden waren be­geistert. Dieses Jahr werden wir das Kon­zept noch um die Komponente Tanz erweitern, wobei jetzt schon spürbar ist, dass ein größerer Kreis von Menschen an der Veran­staltung teilnimmt.

Top: Auch der Konzertsaal des Kultur­palasts kann nun endlich wieder bespielt werden. Was erwarten Sie vom neuen Saal?

Jan Vogler:  Es ist ja gewissermaßen eine Rückkehr an die alte Wirkungsstätte. Denn die ersten Musikfestspiele haben 1978 schon im Kulturpalast stattgefunden. Deswegen haben wir uns auch entschieden, dieses Jahr gleich nach der Wiedereröffnung einen Schwerpunkt zu setzen, und möglichst viele Konzerte im neuen Saal des Kulturpalasts zur Auf­führung zu bringen. Dann sieht man auch gleich, was er alles kann. Es war ja lange der einzige Saal, der für die Musik­festspiele bespielt werden konnte. Die Frauenkirche lag in Schutt und Asche. Auch die Semperoper war in den ersten Jahren noch nicht eröffnet. Im Kulturpalast haben alle gespielt, ganz gleich ob die Berliner oder New Yorker Phil­harmoniker, Dresdner Staats­kapelle oder Dresdner Philhar­monie. Insofern hat dieser Ort die Musikfestspiele sehr geprägt. Er ist dann durch die Bau­fälligkeiten, die akustischen Limitierungen des alten Mehr­zwecksaals und natürlich durch die Konkurrenz der neu entstandenen Spielstätten ins Hintertreffen geraten. Nun aber, da der neue Konzertsaal in diese geschichtsträchtige Architektur eingebettet ist, entstehen ganz neue Möglichkeiten. Damit wird das Spielstätten­repertoire, das wir in Dresden haben, um einen sehr attraktiven Standort erweitert. Denn für ein sehr farbenfrohes, abwechslungsreiches Spektrum an Spielstätten stehen die Musikfestspiele ja auch.

Top:  40 Jahre Festspielgeschichte sind sicher auch ein guter Zeitpunkt, um zurückzublicken. Welche Momente bleiben Ihnen besonders in Erinnerung?

Jan Vogler: Für mich ist der Beginn besonders erinnerungswürdig. Ich war 14 Jahre alt, als die Musikfestspiele gegründet wurden. In Ostberlin gab es kein vergleichbares Festival, so dass ich mit meinen Eltern und manchmal auch alleine nach Dresden gekommen bin. Das war schon etwas ganz Beson­deres, auch wenn mit der Wahl der Kulturstadt Dresden als Festival­standort durch die DDR-Regierung natürlich auch politische Ziele verknüpft wurden. Über diese 40 Jahre sind die Festspiele dann durch eine wechselvolle Geschichte gegangen. Gerade in den 90er Jahren hatten die Menschen oft andere Prioritäten. Als ich 2009 Intendant wurde, fand ich eine Stadt vor, die dann auch hinsichtlich der Infrastruktur aufgebaut war. Die Museen waren umfassend renoviert. Die Hotel­situation im Zentrum ist traumhaft und mit keiner anderen deutschen Stadt vergleichbar, wodurch wir übrigens auch immer mehr Gäste aus dem Ausland begrüßen können. Dresden erfüllte also zu diesem Zeitpunkt bereits alle Kriterien einer Festspielstadt, sodass wir uns ganz darauf konzentrieren konnten ein international konkurrenzfähiges Festival aufzubauen. Dieses Projekt mit meinem hervorragenden Team voranzutreiben  ist eine sehr schöne und für Dresden wichtige Aufgabe.                                       Interview PD n

Weitere Informationen

auch unter:
www.janvogler.com und
www.musikfestspiele.com

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