Mozarts Die Entführung aus dem Serail: Türkischer Abend in der Semperoper

Foto: © Jochen Quast

Die Premiere am 15. April in der Semperoper bot klassische Opernkost für Liebhaber konservativer Inszenierungen.

Es waren vor allem die Liebhaber klassischer Opern­inszenierungen, die sich an dieser „Die Entführung aus dem Serail“ erfreuen konnten. So hätte man sich die Auf­füh­rung auch in der Zeit vorstellen können, in der das Stück entstand. Im späten 18. Jahrhundert hätte dieser Abend wohl kaum für einen Skandal gesorgt. Radikalität in der Inszenierung wurde hier nicht nur vermisst. Sie passte schlichtweg nicht ins Konzept. Dabei hätte es doch genug Anknüpfungspunkte zu Problemen der heutigen Zeit gegeben. Ein gebürtiger Spanier, der aus seiner Heimat vor den dortigen Kungeleien und übler Nachrede flieht, konvertiert in der Türkei zum Islam. Mozart legte die Herrscherfigur des Bassa Selim zum Ausgang der Oper als tolerant und versöhnend, kurzum als wahren Humanisten aus. Analogien und Diskrepanzen zu heutigen Verhältnissen lassen sich jedenfalls genug finden. Doch der niederländische Regisseur Michiel Dijkema setzte eben lieber andere Schwer­punkte. Dass er im Nebenberuf auch als Bühnenbildner aktiv ist und diese Tätigkeit auch bei der „Entführung aus dem Serail“ nicht aus der Hand gab, wurde mehr als deutlich.

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Farbenpracht auf der Bühne Gleichwohl, dem Publikum gefiel die farbenfrohe Inszenierung. Im Pausengespräch hörte man vielerorts Zuschauer sich erleichtert darüber äußern, dass eine Oper endlich mal wieder das neumodische Konzept der sparsamen Bühnen­ge­stal­tung ablegte und stattdessen bei der Ausstattung aus dem Vollen schöpft. Zuschauer mit diesen Vorlieben können sich jedenfalls nicht beschweren. Gerade das Bühnenbild sorgt für einige Hingucker. Der Palast von Bassa Selim ist dabei offenbar von einem riesigen Sumpfgebiet umgeben, was zur Folge hat, dass die Beteiligten aller Nase lang mit schlammverkrusteten Riesenstiefeln umherwaten, während die Wachen des Herr­schers mit einer Latzhose auftreten, die an ein Super Mario-Spiel gemahnt. Dann wäre da noch ein großes Krokodil, das ab und an über die Bühne krabbelt und für Gekicher sorgt. Eindrucksvoll ist der große Showdown, der sich vor einer Ku­lis­se aus Folterinstrumenten abspielt. Der überdimensionale Spies, das Richtrad oder das Fallbeil verlieren durch ihre übertriebene Größe allerdings an Drastik und wirken eher komisch. Licht und Schatten bei den Stimmen Das ist alles lustig, das sorgt für Amüsement. Tragik hingegen kommt kaum auf. Die Liebesgeschichten zwischen Belmonte und Konstanze sowie zwischen Blonde und Pedrillo werden solide ausgeführt, berühren aber kaum. Die klamottenhafte Ausstattung verhindert, dass die Zuschauer Emotionen investieren. Stimmlich wissen vor allem die Damen zu überzeugen, allen voran die Slowakin Simona Šaturová. Fast noch beeindruckender ist die Performance der Finnin Tuuli Takala (Blonde), die sich als Mitglied des jungen Ensembles der Semperoper kaum hinter den großen Namen verstecken muss. Oberleibwächter Osmin, der von den Liebenden einen Schlaf­trunk bekommt, damit die Entführung schließlich gelingt, fällt dagegen stimmlich ab. Dimitry Ivashchenko spielt die Rolle zwar mit viel Witz und Freude, die Tiefe seines Basses reicht aber nicht immer aus, um mit dem Orchester mitzuhalten. Dieses setzt sich am Premierenabend übrigens aus der B-Besetzung zusammen und wird vom britischen Dirigenten Christopher Moulds geleitet. Die Staatskapelle weilt zur Premiere der „Entführung…“ bei den Osterfestspielen in Salzburg. Die Ersatzmannschaft schlägt sich bei ihrem großen Auftritt aber tadellos.

Nächste Termine: 20., 22., 26., 31. Oktober

www.semperoper.de

Philipp Demankowski

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