Interpretationen historischer Bedeutung

Foto: © Oliver Killig
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Gruppenausstellung „THIS COULD BE A PLACE OF HISTORICAL IMPORTANCE“ im Torhaus Wehlen

Die aktuelle Ausstellung im Torhaus Wehlen (bis 17.11.2024) setzt sich intensiv mit unserer Wahrnehmung von Geschichte auseinander. Das Werk „This Could be a Place of Historical Importance“ (1980) von Braco Dimitrijević thematisiert die unterschiedlichen Interpretationen historischer Bedeutung. Dimitrijević hinterfragt die Machtstrukturen, die bestimmten Personen, Orten oder Daten Bedeutung verleihen oder diese verhindern, und „demokratisiert“ diese Mechanismen durch den Einsatz von Zufall. In diesem Kontext erhebt der Künstler das Unbedeutende zu etwas Monumentalem und verwendet dabei bekannte Symbole der Bedeutsamkeit, wie etwa eine Marmorplatte mit goldener Inschrift im Torhaus Wehlen. Dimitrijevićs Interventionen basieren auf der Idee einer posthistorischen Ära, einer Zeit nach dem Ende der Geschichte, und eröffnen somit Raum für neue Arrangements, die von der traditionellen Auffassung historischer Ereignisse und dem Drang, dieses lineare Narrativ fortzusetzen, abweichen.

Die von Dirk Großer kuratierte Ausstellung erweitert das Spektrum möglicher posthistorischer Ereignisse durch die individuellen Visionen der teilnehmenden KünstlerInnen.

Do you remember it?
Installation mit Fotodokumenten, 2024, © Eva Jiřička

Unsere Sicht auf historische Ereignisse wird durch persönliche Erlebnisse stark beeinflusst. Eva Jiřička aus Prag hat sich mit den Bewohnern rund um das Torhaus unterhalten und ihre Kindheitsnarben sowie deren Auswirkungen auf das heutige Leben dokumentiert. Ihre Ausstellung zeigt Fotografien dieser Narben, begleitet von handschriftlichen Zitaten aus den geführten Interviews, die direkt an die Galeriewand geschrieben wurden. Mit ihrer Arbeit beleuchtet sie, wie kollektives Handeln und Bewusstsein entstehen und wie wir erfolgreich in eine Gemeinschaft integriert werden können.

Do you remember it? Installation mit Fotodokumenten, 2024, Eva Jiřička / Foto: © Oliver Killig

Bessermenschen, Ewige Helden
Soldatenfiguren aus Porzellan, schwarzer Kaminsims, beschriftete PVC-Taschen, 2024, © Frenzy Höhne

Auf einem Kaminsims stehen Porzellansoldaten in Reih und Glied. Jede Figur ist in einer anderen Farbe des Regenbogens bemalt und trägt Einkaufstüten. Die Aufschriften auf den Tüten, wie „starte dein nächstes Level“ oder „hol Dir ein Stück vom Erfolg“, spiegeln die ständige Aufforderung zur Selbstoptimierung wider. Diese Botschaften sind darauf ausgelegt, unser Lebensgefühl und Konsumverhalten zu beeinflussen und sind allgegenwärtig. In der Welt des Konsums folgen wir einem idealisierten Bild, das unsere Wahrnehmung manipulieren soll. Auf spielerische Weise wird hier auch das kriegerische Potential unserer Konsumgesellschaft sichtbar gemacht. Die Porzellansoldaten entlarven die Mechanismen, die uns in einen ständigen Kreislauf von Konsum und Selbstverbesserung treiben.

Soldatenfiguren aus Porzellan, schwarzer Kaminsims, beschriftete PVC- Taschen, 2024, Frenzy Höhne / Foto: © Oliver Killig

Portable Battlefield
Objekt, Folie besprüht, Holz, 2024, © Steffen Schiemann

Steffen Schiemanns Arbeiten sind geprägt von Sinneseindrücken, die an Fundstücke von Schlachtfeldern erinnern. In seinem Werk „Portable Battlefield“ verschmelzen der logistische Charakter moderner Kriegsschauplätze und die Auswirkungen der Kriegsführung. Dieses Objekt repräsentiert eine Sichtweise unserer Kulturgeschichte, die vor allem von Katastrophen geprägt ist.

Blick in die Ausstellung mit Arbeiten von Steffen Schiemann / Foto: © Oliver Killig

Girandola
Video 6’20, 2024, © Antje Seeger

Antje Seeger zeigt in ihrem Video die beeindruckende Wirkung von Lichtflächen, die von Wolken umrahmt werden. Diese Lichtflächen symbolisieren Gefahr, Macht und Autorität, ziehen die Aufmerksamkeit auf sich und versetzen den Betrachter in Staunen. Die Videoarbeit zeigt die Transformation eines Bildarchetyps, der als Girandola bekannt ist. Dabei werden historische Bühnenbilder, Grafiken, Gemälde und Fotos inszeniert, um die verschiedenen Darstellungen und die Entwicklung dieses Archetyps zu veranschaulichen.

Arbeit von Antje Seeger / Foto: © Oliver Killig

Departure/Abreise 
Installation, Gerüststangen, Filtersystem mit Holzkohle, Wasser, Recyclingmaterial, Sandsteinquader, Teichfolie, Ziegel, 2024, © Lexa Peroutka & Nonkran Panmongkol

Im Garten des Torhauses haben die Künstler Nonkran Panmongkol und Lexa Peroutka eine faszinierende Installation errichtet: ein Wasserbecken mit einem innovativen Filtersystem. Diese Kunstinstallation erinnert uns an die fundamentale Bedeutung des Wassers in unserer Kulturgeschichte. Unsere Zivilisation ist eng mit dem Wasserkreislauf verknüpft. Die Installation symbolisiert den zyklischen Charakter des Lebens und den damit verbundenen Zeitbegriff.

Departure/Abreise Installation, Gerüststangen, Filtersystem mit Holzkohle, Wasser, Recyclingmaterial, Sandsteinquader, Teichfolie, Ziegel, 2024, Lexa Peroutka & Nonkran Panmongkol / Foto: © Oliver Killig

Ein Besuch im Torhaus Wehlen ist empfehlenswert, um die Ausstellung in ihrer vollen Pracht zu erleben.

THIS COULD BE A PLACE OF HISTORICAL IMPORTANCE
Das könnte ein Ort von historischer Bedeutung sein…

Ausstellung bis 17.11.2024
im Torhaus Wehlen,
Karl-Marx-Platz 1, 01829 Stadt Wehlen
Öffnungszeiten: Do., Fr.  14-18 Uhr / Sa., So. 10-18 Uhr

Beteiligte Künstler: Braco Dimitrijević (Bosnien), Frenzy Höhne (Leipzig), Eva Jiřička (Prag), Lexa Peroutka (Tschechien) & Nongkran Panmongkol (Thailand), Steffen Schiemann (Berlin), Antje Seeger (Dresden)

Redaktion: Jörg Fehlisch

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