Andy Warhol: Pop Art Identities

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Die Ausstellung „Andy Warhol – Pop Art Identities“ feiert in der Dresdner Zeitenströmung® ihre Deutschlandpremiere.

Ob Suppendosen, Dollarnoten oder Marilyn Monroe – seine Werke machten Andy Warhol zur Ikone der Pop Art. Geboren in ärmlichen Verhältnissen im amerikanischen Pittsburgh, wurde er in New York zum gefeierten Superstar und begeistert bis heute ein Millionenpublikum. Seit dem 4. Februar feiert nun die Ausstellung „Andy Warhol – Pop Art Identities“ in der Dresdner Zeitenströmung® ihre Deutschlandpremiere. Kuratiert hat sie der Italiener Maurizio Vanni zusammen mit Co-Kuratorin Virginia Jean. Vanni ist Museologe, Kunsthistoriker und Spezialist für nicht-konventionelles Marketing und hat bereits über 600 Veranstaltungen weltweit begleitet. Top Magazin Dresden hat den Italiener zum Interview getroffen und mit ihm über den Künstler sowie den Menschen Andy Warhol gesprochen und wie dieser die Kunstgeschichte revolutionierte.

Das große Thema der Ausstellung ist „Identität“. Sie will zeigen, wie differenziert Andy Warhol und seine Kunst begriffen werden können, ebenso wie seine verschiedenen Identitäten. Wer ist Andy Warhol für Sie?
Maurizio Vanni: Gerade in der Zeit der Pandemie muss sich jeder Einzelne über seine Identität klarwerden. Weil derzeit so viel von außen vorgegeben wird, haben die Leute einen großen Teil ihrer eigenen Identität verloren. Wir müssen uns fragen: Wer sind wir, was wollen wir und wo wollen wir hin? Andy Warhol ist 1949 von Pittsburgh nach New York gekommen, und wenn man sein Leben betrachtet, war es eigentlich auch eine Art der Pandemie. Er war eine sehr introvertierte Person und hatte eine Pigmentstörung, weshalb man annahm, er sei ein Albino. Im Grunde ge­nom­men wurde er, ebenso wie seine Familie, von der Gesellschaft ausgeschlossen.

Maurizio Vanni: „Das Alltägliche wird zur Kunst und die Kunst zum Alltäglichen.“ / Foto: © Jürgen Männel/jmfoto

Wie ging er mit dieser Situation um?
Er hat aus der sicheren Deckung heraus geschaut, wo sein Weg hingehen und wo er seine Akzente setzen kann. Warhol war ein begnadeter Grafiker. Was immer er sich ausgedacht oder gesehen hat, konnte er in Form bringen und grafisch darstellen. In New York erkannte er, wie komplex und schnelllebig diese Stadt ist und wie rasant man dort aufsteigen, aber auch wieder fallen kann. Er war immer sehr ängstlich, weshalb er schon damals wusste, dass er Rollen spielen und sich – bildlich gesprochen – Masken aufsetzen muss. Wo und mit wem kommuniziere ich und welche Maske ist dafür notwendig? Und was ist wichtiger: Die eigene Verwundbarkeit zu schützen oder aus sich herauszugehen, weil man Geld verdienen muss, um im „Theater des Lebens“ mitspielen zu können? Mit diesen beiden Aspekten musste sich Andy Warhol auseinandersetzen.

Ist dieser innere Konflikt auch Schwerpunkt der Ausstel­lung?
Der Fokus der Ausstellung liegt auf der Person Andy Warhol und seinem Gesamtwerk. Die Besucher sollen keine Berührungsängste haben, sondern die Schau ist für die ganze Familie konzipiert. Wir wollen diese Pop Art Culture wieder zum Leben erwecken. Wer die Ausstellungsräume besucht, soll sich wie in den 1960ern und 70ern fühlen. Außerdem wollen wir auch tiefere Einblicke schaffen, zum Beispiel mit kleinen Storys, die man noch nicht über Andy Warhol weiß. Wo kommt er her? Was hat er durchgemacht? Woher kommt seine Inspira­tion? So gab es bei ihm beispielsweise immer „Campbell’s“-Suppen zuhause. Damit hat Warhols Mutter sozusagen das Kunstwerk noch vor ihm erschaffen, denn immer, wenn sie Blumen geschenkt bekam, stellte sie sie in eine Suppendose, da sie kein Geld für eine schöne Vase hatte. Solche Dinge muss man wissen, um sich in Andy Warhol hineinzufühlen. Er spricht auch heute noch ein Thema an, das in uns schlummert: die Selbst­findung. Etwas, durch das jeder Mensch hindurchgeht und das Warhol in seinem kompletten Lebens­werk dargestellt hat.

Andy Warhol hat vor allem unseren Alltag be­einflusst. Wir kennen alle die berühmten Bilder wie Marilyn Monroe oder die Suppendosen, die Sie eben bereits angesprochen haben…
Andy Warhol war in vielerlei Hin­sicht Vorreiter und wirkt noch heute auf unseren All­tag ein in dem Sinne, dass er eigentlich damals schon Selfies machte, indem er plötzlich Leute in vielen verschiedenen Situationen fotografierte. Auch ganz unbekannte Menschen, denen er sagte: Sei fröhlich, traurig oder wütend. Solche Bilder haben wir heute alle von uns selbst auf dem Handy. All das sind Iden­ti­täten – Identities – und genau das spiegelt die Aus­stel­lung wider. Identität ist auch heute ein großes Thema. Jeder definiert sich immer wieder neu, zum Beispiel auf Social Media. Auf der Arbeit ist man anders als im Privatleben. Genauso war auch Andy Warhol, als er nach New York kam. Am Tag war er Grafiker für Magazine, in der Nacht freier Künstler. Eines seiner großen Themen ist zum einen die Armut im Ver­gleich zu seinem Reichtum und zum anderen seine Homo­sexua­lität. Das haben wir versucht, darzustellen. Am Ende der Aus­stellung erkennt man vielleicht, dass er einerseits ein Genie, andererseits aber auch ein sehr armer Mensch war.

Und welchen Stellenwert hat Andy Warhol innerhalb der Kunst­geschichte?
Ihm war klar, dass der sogenannte amerikanische Traum nicht für alle gegolten hat, sondern dass er vonseiten der Politik vorgegeben war. Es war sein Traum, dass jeder Amerikaner ein Kunstwerk von ihm zu Hause hat. Sein Ziel war es, genauso berühmt zu werden wie die Queen. Er wollte einerseits das Alltägliche zu einem Kunstwerk machen, aber auch das Kunstwerk zum Alltäglichen. Das war seine erste Revolution der Kunstgeschichte.

Foto: © Jürgen Männel/jmfoto

Was war die zweite?
Die zweite war, ein Kunstwerk in so kurzer Zeit so oft wie möglich zu reproduzieren. 1963 begann die Verviel­fältigung mit Siebdruck, und er hatte viele Assistenten, die für ihn arbeiteten. Trotzdem war jedes Kunstwerk in seiner Art ein Unikat. Warhol war der Meinung, dass man im Grunde genommen ein Kunstwerk nicht vervielfältigen kann. Sobald er es aber signiert hatte, war es sein Kunstwerk. Seine Philosophie war es, dass etwas Schönes noch schöner wird, je mehr man davon anfertigt. Er war ein Marketing-Genie. Das beste Beispiel ist Marilyn Monroe. Nach ihrem Tod machte er sie zu einem Konsumobjekt, das sich jeder leisten konnte.

Schuf er seine Werke also eher zu Marketingzwecken oder sah er seine Arbeit zuallererst als Kunst?
Genau das war seine dritte Revolution, denn er glaubte, ein Künstler müsse unglaublich reich werden. Die erste Frage, die Journalisten ihm stellten, war meist: Bist du ein Künstler oder ein Marketingmann? Woraufhin Warhol antwortete: Ich bin der erste Marketingmann, der ein Künstler ist.

Die Ausstellung in der Zeitenströmung® ist in sechs Abschnitte unterteilt. Können Sie den Aufbau kurz erklären?
Die sechs Ausstellungsabschnitte zeigen sechs unterschiedliche Phasen Andy Warhols, in denen er sich immer wieder neuen Projekten widmete. Da er stets Input von verschiedensten Leuten bekam, kam er immer wieder auf neue Ideen. So sind die sechs Teile der Ausstellung entstanden.

Ein Großteil der Exponate sind Originale. Wie ist es gelungen, sie hier in Dresden zusammenzubringen?
Man muss unterscheiden zwischen einem Ori­ginal und einem offiziellen Werk von Andy Warhol. Grund­sätz­lich war er zwar gegen Kopien, sagte aber, dass alles, was von ihm oder seiner Foundation autorisiert wurde, wie ein Original zu betrachten ist. Die Werke, die wir hier in der Zeiten­strömung® sehen, hat er nicht alle persönlich gemacht, aber sie sind autorisiert. Sie stammen nicht aus Museen, sondern aus der Founda­tion oder von privaten Sammlern.

Andy Warhol –
Pop Art Identities

Ausstellung: 4. Februar bis 12. Juni 2022
in der Zeitenströmung®
Königsbrücker Straße 96 I 01099 Dresden
www.warhol-exhibition.com

Interview: Ute Nitzsche

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