Theatertipp: „Kinder der Sonne” – Nicht aufzuhalten

Kinder der Sonne – v.l.: Helga Werner, Raiko Küster, Birte Leest, Oliver Simon, Viktor Tremmel, Anna-Katharina Muck, Karina Plachetka, Yassin Trabelsi, Fotos: Sebastian Hoppe
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Mit Laura Linnebaums Inszenierung von Maxim Gorkis „Kinder der Sonne” kommt nach „Der Kirschgarten” von Anton Tschechow innerhalb kurzer Zeit der zweite russische Klassiker auf die Bühne des Schauspielhauses Dresden. Das Leben in Zeiten gesellschaftliche Umbrüche ist dabei erneut das bestimmende Thema.

Der Chemiker Protassow (Oliver Simon) ist überzeugt von den Chancen des wissenschaftlichen Fortschritts und hält die Schaffung eines neuen Menschen für die anstrebenswerte Lösung vieler Probleme. Um ihn herum versammeln sich seine geisteskranke Schwester, eine Verehrerin des Wissenschaftlers, ein Veterinär, Intellektuelle und Künstler wie in einem Elfenbeinturm, völlig ausblendend, dass eine Choleraepidemie Menschen dahinrafft und Wut und Hass gegen die herrschende Klasse wachsen. Ein eifriger Geschäftsmann nutzt die Chancen der sich ändernden Zeiten, das junge Hausmädchen sucht einen Weg in eine abgesicherte Zukunft, ein Schlosser schlägt seine Frau… Schließlich kommt es zum Aufstand wegen der sich immer mehr ausbreitenden Seuche.

Raus aus dem Elfenbeinturm

Maxim Gorkis 1905 entstandenes Drama „Kinder der Sonne” thematisiert den Choleraaufstand 1892 an der unteren Wolga. Die von den Herrschenden in Unwissenheit gehaltene Bevölkerung sucht die Schuldigen in der höheren Klasse und lässt ihrer Frustration freien Lauf. Die Revolution, ein bestimmendes Thema in Gorkis Werk, ist im Stück klar präsent. So sagt die Schwester Protassows: „… der Hass unter den Millionen wächst … Eines Tages wird sich ihre Wut gegen euch kehren.“

Kinder der Sonne – v.l.: Raiko Küster, Oliver Simon, Karina Plachetka / Foto: Sebastian Hoppe
Leuchtende Scheibe, verstreichende Zeit

Eine kreisförmige leuchtende Bühne steht sinnbildlich sowohl für die Suche des Wissenschaftlers nach einer strahlenden besseren Zeit als auch ihrer ständigen unaufhaltsamen Vergänglichkeit. Das großartige Ensemble des Staatsschauspiels spielt geschickt auch gegen einige Längen der Dresdner Inszenierung an. Hervorzuheben sind dabei besonders Birte Leest als Protassows geisteskranke Schwester, Fanny Staffa als Kindermädchen Fima und Raiko Küster als Künstler Wagin. In der zweiten Hälfte nimmt die Inszenierung dann deutlich an Fahrt auf. Nur die Bezugnahme zu den „Fridays for Future”-Aktivisten zum Ende hin wirkt leider bemüht und unnötig. Freunden russischer Klassiker ist ein Theaterbesuch trotzdem sehr zu empfehlen. Hoffentlich besteht nach Ende der Krise durch das Corona-Virus bald Gelegenheit dazu.

„Kinder der Sonne“
von Maxim Gorki, Regie: Laura Linnenbaum
Schauspielhaus, Theaterstraße 2, 01067 Dresden
Dauer der Aufführung: 2 Stunden und 50 Minuten, eine Pause.
www.staatsschauspiel-dresden.de

Text: Jörg Fehlisch

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