Wild Vibes – Wenn Frauen jagen

© Franziska Pilz
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Warum wir Menschen jagen, lässt sich anthropologisch und ethisch gut erklären. Emotional gelingt es aber kaum, das Gefühl des „Beute machens“, des Sam­melns, mit der Natur eins zu sein oder an entlegenen Orten Flora und Fauna zu genießen, zu erklären. Die Natur, insbesondere die tiefen, dunklen Wälder wecken unsere Urinstinkte. Wir empfinden Emotio­nen wie Freude und Demut, Anspan­nung und Ent­spannung, Aben­teuer und Ausge­glichen­heit. Zurück bleibt ein unvergess­liches Naturerlebnis, das uns wieder zu uns selbst zurückführt.

Warum neben der Beobachtung von Vögeln, Insek­ten, Pilzen, Pflanzen und Säugetieren ebenso der Drang entsteht, Wild zu erlegen, lässt sich nur schwer in Logik fassen. Der Urinstinkt nach dem Beschaffen von Nahrung ist so alt wie die Mensch­heits­geschichte selbst. Jagen bringt ein Gefühl der Überlegenheit gegenüber nutzbaren Tieren mit sich. Das ist auch der Grund, warum in den letzten Jahrhunderten für uns heute sehr brutale und abwegige Methoden wie Hetzjagden, Treiben, Fangen und Aussetzen von Wildtieren angewendet worden sind – teilweise nur zur Belustigung weniger elitärer Gesell­schaftsschichten. Der Umgang mit Leben und Tod von Wildtieren wurde glücklicherweise in den letzten hundert Jahren gesetzlich und moralisch komplett neugestaltet. Jagen ist immer noch „Leben nehmen“ und Nutzen von Roh­stoffen, aber der Prozess ist gerechter geworden – durch das Unterlassen von tierunwürdigen Jagd­methoden und den Einsatz von geprüften Jagd­hunden und modernen Waffen. Aus der Entwicklung der Jagdge­schichte sind dennoch sehr viele Traditionen entstanden. Dem Wild wird zum Beispiel mit dem „letzten Bissen“ und Jagd­signalen die letzte Ehre erwiesen. All die strengen Regeln und die moralischen Grundsätze, die moderne Jäger von heute respektieren, tragen zu einer weidgerechten Jagd bei.

„Das ist des Jägers Ehrenschild, Daß er beschützt und hegt sein Wild, Waidmännisch jagt, wie sich’s gehört, Den Schöpfer im Geschöpfe ehrt!“ (Oskar von Riesenthal, 1880) / © Franziska Pilz
Die Rolle des Jägers

Klassisch gesehen nimmt in unserer Gesell­schaft der männliche Teil der Familie die Rolle des Jägers ein. Es ist allerdings anzunehmen, dass Frauen schon immer ins Jagen involviert gewesen sind – im Kampf um Nahrung, Behausung und friedlichem Dasein neben den für Tage und Wochen abwesenden Männern. Das Bild des Jagens hat sich in unserer Gesellschaft erfreulicherweise vor allem in den letzten Jahren zu seinem Vorteil geändert. Die Anzahl der Absol­ventinnen von Jagdschulen steigt kontinuierlich. Die Motivation der Frauen für die Jagd entsteht nicht nur aus dem Zubereiten des Wildbrets heraus, sondern wie auch bei Männern, aus dem tiefsten Inneren heraus. Es ist ein unerklärliches Be­dürfnis – eine Ergriffenheit, die jeden erfasst, dem der Trieb nach Beute und gesundem Fleisch für Familie und Freunde innewohnt. Wer nur Lust am Erlegen von Tieren verspürt und den Ge­schöpfen keinen Respekt zollt, hat bei der Jagd heute nichts zu suchen. Leider existiert genau dieses Bild in der breiten jagdunerfahrenen Öffentlichkeit. Doch dieses Fehlverhalten ist weder ethisch noch natürlich. Kein Lebe­wesen tötet nur aus Spaß, sondern immer vor dem Hinter­grund der Nah­rungsgewinnung oder zur Verteidi­gung von Revier und Nach­wuchs. Jäger zeichnen sich vor allem durch große Geduld und Ruhe aus. Nicht selten gehen sie einfach nur auf Beobach­tungs­­posten, denn es ist außerordentlich spannend, Wildtiere in ihrem Lebensraum beobachten zu können.

© Franziska Pilz
Frauen bei der Jagd

Frauen sind bei der Jagd eine absolute Bereicherung. Wie in vielen anderen Berufszweigen und Professionen auch kommt mit der weiblichen Besetzung viel Ruhe und Besonnenheit in den Ablauf von Gesellschaftsjagden hinein. Der Um­gang mit der Aus­rüs­tung muss gelernt und ständig geübt werden. Frauen greifen sich dabei auffallend solidarisch unter die Arme, sei es beim Bergen oder Aufbrechen. Dieser Teamgeist ist ansteckend und die Freude füreinander sehr groß.

© Franziska Pilz

In der Regel wird kein einziges Wild auf dem Einzelansitz oder bei Gesell­schafts­jagden geschossen. Die meis­ten gehen schlichtweg leer aus. Das Wild lernt seit tausenden von Jahren, dem Beute­greifer zu ent­gehen. Bietet sich eine Gelegenheit, dann muss sie durch viel Training, Erfahrung und dem damit verbundenen Können und Gelassenheit genutzt werden. Damen sind bei der Jagd entspannter und setzen sich selbst, dem Wild oder mitjagenden Jägern keinem unnötigen Risiko aus. Diese Beson­nen­­heit ist ein großer Gewinn für den Ablauf von Jagden. Frauen haben einen guten Instinkt für Familienstrukturen und sind sehr besonnen bei der Schuss­abgabe. Das erlegte Wild ist ein Lebensmittel mit hohen Stan­dards. Der Um­gang mit dem Lebensmittel muss respektvoll und hygienisch erfolgen. Nach dem Schuss folgt die eigentliche Arbeit und Jägerin­nen stehen da zweifelsohne ,,ihren Mann”. Gesell­schaftlich gesehen, herrscht immer noch ein wahrnehmbarer Erfolgs­druck bei der Ausbil­dung von Jägerinnen und Jägern. Es ist leider immer noch an der Tagesordnung, dass männliche Jäger oder der eigentlich ,,moderne” Mann den Damen die Jagd nicht zutraut. Dem körperlichen und psychischen Stress und den Aufgaben bei der Jagd sind Frauen jedoch ohne weiteres gewachsen. Gemein­sames Jagen und gemeinsam die Freude teilen über die erlegte Beute und das Handwerk zeichnen die Damenjagd aus.

© Franziska Pilz
Schießtraining für Frauen

Diesem unleidlichen Fakt folgend haben Jagdschulen und Schießausbilder zeitgemäß für Frauen Ausbildungsprogramme, die einen respektablen Umgang miteinander garantieren und Frauen für die Jagd auf Augenhöhe fit machen. Mit viel Schieß­training, Ausbildung im Umgang mit Waffen (was bisher bis zur Einstellung der Wehrpflicht meist nur Männern vorbehalten blieb) und der weiblichen Gelassenheit sind Frauen eine nicht wegzudenkende Bereicherung in der modernen Jagd. Wie bereits erwähnt, steigt die Zahl der Damen, die sich für die Natur und ihre Früchte interessiert. Der Jagdschein bringt uns in die Natur und eröffnet uns ein großes Privileg. Egal ob Jäger oder Jägerin – es ist ein unbeschreiblich intensives Gefühl, in der Natur und dem Wild so nahe zu sein.

Im Gespräch mit Lisa-Marie Kramer, Jägerin aus Leidenschaft

Lisa-Marie Kramer / © Franziska Pilz

Top: Was hat Sie dazu bewegt, den Jagdschein zu machen?

Lisa-Marie Kramer: Die Jagd begleitet mich seit meiner Kindheit. Es hat mich fasziniert, wenn meine Mutter in den Wald zog und mit einem Stück Wild heimgekehrt ist. Das Abenteuer Jagd war für mich schon immer so facettenreich, dass ich ein Teil davon werden wollte. Sei es, dass man im Wald immer wieder neue Aspekte über sich selbst und die Umgebung lernt, man in eine Gemeinschaft mit tiefer Verbundenheit eintaucht, den Reiz spannender Situationen erlebt, den Bund zwischen Leben und Tod hautnah spürt oder sich mit nachhaltigem Fleisch versorgen kann. Darüber hinaus leistet man mit der aktiven Jagdaus­übung auch einen bedeutenden Teil zur ehrenamtlichen Natur­schutzarbeit. Man übernimmt Verantwor­tung, die Umwelt in nach­haltiger und bewusster Weise zu nutzen und für kommende Generationen sowie zum Schutz des Ökosystems Wald zu erhalten.

Top: Mit welchen Schwierigkeiten und Herausforderungen sehen Sie sich als Jägerin konfrontiert?

Lisa-Marie Kramer: Heutzutage besteht die größte Herausforderung für Jägerinnen eher in ihren körperlichen Nachteilen gegenüber ihren männlichen Kollegen. Die meisten Waffen sind nicht für die weibliche Anatomie angepasst. Zudem braucht man als Frau bei der Bergung und Nach­versorgung die eine oder andere helfende Hand im Wald, z.B. wenn man ein größeres Stück Wild erlegt hat. Es gibt nur noch wenige Regionen in Deutschland, wo man sich als Jägerin durch Erfahrung und einen großen Wissensschatz beweisen muss.

Top: Welche Hinweise haben Sie für Frauen, die ihren Jagdschein machen möchten?

Lisa-Marie Kramer: Wenn man die Chance bekommt, einen Jäger auf den Ansitz zu begleiten, sollte man diese auch nutzen. Wenn man beim Erlegen von Wild auch die Nerven behält, ist das ein gutes Zeichen. Zudem sollte man wissen, dass die Jagd sehr viel Zeit beansprucht. Bevor man mit der Ausbildung startet, sollte man sich über den Ablauf informieren und ob es auf Frauen angepasste Waffen gibt. Viele fühlen sich wohler, wenn sie von einem erfahrenen Jäger/in begleitet werden. Danach sollte sich jeder Jungjäger ständig weiterbilden und regelmäßig auf den Schießstand gehen. Es ist auch von Vorteil, sich einer lokalen Jägerschaft anzuschließen.

Im Gespräch mit Michael Gast, Schießtrainer/1MOA GmbH

Michael Gast / © Franziska Pilz

Top: Mit welchen Zielen wenden sich Menschen an Sie als Schieß­trainer?

Michael Gast: In letzter Zeit stelle ich einen Wandel in der Jägerschaft fest. Viele Jungjäger haben den Anspruch, nicht nur gut im Schießen zu sein, sondern sie wollen sehr gut sein. Hier kom­me ich ins Spiel. Zusammen mit meinen Trainees erarbeite ich eine individuelle Schießtechnik und zeige Trainings­möglich­keiten sowie Übungen, die dazu verhelfen, das persönliche Training effektiver zu gestalten und schneller zu sehr guten Leistungen zu kommen.

Top: Welche Besonderheiten gibt es bei Schießtrainings für Frauen und den Umgang mit der Waffe zu berücksichtigen?

Michael Gast: Im Grunde genommen ist das Training für Frauen ebenso ge­staltet wie das Training für Männer. Ich sehe eigentlich nur zwei Unterschiede: ein Unterschied liegt in der Anatomie der Frau. Es kann erforderlich sein, dass man bauliche Veränderungen an den Waffen vornehmen muss, um der Schützin oder Jägerin einen idealen Anschlag zu erleichtern. Genau dies gilt es zu Beginn des Trainings herauszufinden. Der zweite Unterschied ist, dass Frauen oft viel wissbegieriger sind als Männer, sprich der Aus­bilder muss auf jeden Fall ein Flipchart dabei haben, um Sach­verhalte und Fragen festzuhalten. Normalerweise fasse ich nach einem solchen Training die Fragen zusammen und arbeite diese nochmal schriftlich für die Trainees aus.

Top: Welche speziellen Seminare kann man für das jagdliche und sport­liche Schießen bei Ihnen buchen?

Michael Gast: Ich hatte das Glück, in meiner Verwendung bei der Bundeswehr sehr viel über das Schießen zu lernen. Aus diesem Grund kann ich nahezu jede jagdliche Schießsituation ausbilden. Wir haben auch Spezialisten im Team, die sich auf die Flinte oder andere Waffen spezialisiert haben, falls man sehr ins Detail gehen möchte. Die beliebtesten Ausbildungen sind Grundlagen für den präzisen Schuss bis 100 Meter, das Schießen bis 300 Meter und die Drückjagdvorbereitung*.
*Die Drückjagd ist eine Bewe­gungsjagd auf Hochwild mit mehreren Jägern und Treibern.

Redaktion: Martin Balke

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