Filmkritik „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“: Zwischen Erzählung und Experiment

Foto: © Lupa Film, Hanno Lentz, DCM
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Dominik Grafs Verfilmung Fabian oder Der Gang vor die Hunde nach einem Erich- Kästner-Roman hat zu Recht auf der diesjährigen Berlinale für Furore gesorgt und kommt nun ins Kino. Da gehört der Film hin.

So sehr sich die Öffentlichkeit und auch die Filmkritik über das deutsche Kino aufregt, so wenig verständlich ist, dass ein Fachmann wie Dominik Graf so häufig ignoriert wird. Mit unzähligen Fernsehfilmen, mit einer herausragenden TV-Serie („Im Angesicht des Verbrechens“) und auch immer wieder im Kino – zuletzt mit „Die geliebten Schwestern“ – hat sich der 69-jährige Regisseur seine Meriten längst verdient. Da freut man sich umso mehr, dass sein knapp dreistündiger, neuer Film vor Lust am Handwerk nur so strotzt. Aus jeder Pore spritzt hier die Liebe zum Film, zum cineastischen Experiment, aber auch zur Tradition des Kinos. Schon die Eingangsszene, die in der Gegenwart beginnt und stufenlos in die Handlungszeit des Films in den beginnenden 1930ern übergeht, setzt den Tonfall. Bald schon gibt es Verweise auf Stumm- und Dokumentar­film, auf Fassbinders Theaterkino, auf Hollywoods Melo­dramen und sogar auf das egozentrierte Action-Kino.

Fotos: © Lupa Film, Hanno Lentz, DCM
Ein Steinhaufen namens Berlin

Mit Erich Kästners autobiografisch ge­prägtem Großstadtroman „Fabian. Die Geschichte eines Moralisten“ hat er da­für die perfekte Vorlage gefunden. Ob man den in Dominik Grafs Hand zu „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ umgetauften Film letztlich als Sitten­gemälde oder Milieustudie be­zeichnen will, ist zweitrangig. Man folgt Dr. Jakob Fabian (Tom Schilling), den allein nicht zu rettende Zyniker als Gut­menschen bezeichnen würden, nur allzu gern auf seinen Streifzügen durch den „Stein­haufen“ Berlin, der gezeichnet ist durch die Nach­wir­kungen des Ersten Welt­kriegs und der Weltwirtschaftskrise. Die Ar­beits­losig­keit grassiert und erwischt schließ­lich auch den Akademiker, der sich bis dahin als Werbetexter verdingte. Längst marschiert die SA auf und der Gang vor die nationalsozialistischen Hunde ist bereits greifbar.

Featuring Dresden

Trotzdem ist das Großstadtleben emsig und hektisch, was Dominik Graf mit schnellen Schnitten einfängt, bei denen die Szenen aber stets übersichtlich bleiben. Dem Film gelingt es mit einem detailfreudigen und zeittypischen Szenenbild authentisch und gleichzeitig dank der Lust am filmischen Ex­periment erfrischend avantgardistisch zu wirken. Das funktioniert auch deshalb, weil die Geschichte um Fabians Liebelei mit der angehenden Schauspielerin Cornelia Battenberg (Sas­kia Rosendahl) und der Tragödie um Stephan Labude (Albrecht Schuch), dem besten Freund aus reichem Hause, nie aus dem Fokus gerät. Perfekt ausgewählte Nebendarstellerinnen wie die berlinernde Meret Becker oder Luise Aschenbrenner vom Ensemble des Staatsschauspiels Dresden runden die hervorragend aufgelegte Darstellerriege ab. Dresden spielt als langjährige Heimat Erich Kästners übrigens auch eine Rolle, wobei die Stadt fast wie eine Oase der Ruhe im Vergleich zu Berlin wirkt. Wie der Vergleich wohl heute ausfällt.

Fabian oder Der Gang vor die Hunde
Regie: Dominik Graf, Kinostart: 1. Juli 2021

Redaktion: Philipp Demankowski

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