Prof. Dr. Ursula M. Staudinger: Die Welt auf dem Dresdner Campus

Prof. Dr. Ursula M. Staudinger, Rektorin der Technischen Universität Dresden/ Foto: © Robert Lohse
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Im Gespräch mit der Rektorin der Technischen Universität Dresden

Als Prof. Dr. Ursula M. Staudinger im August 2020 ihr Amt als Rektorin der Technischen Universität Dresden antrat, gab sie als erstes die Maßgabe vor, die Dresdner Hochschule zu einer globalen Universität für das 21. Jahrhundert weiterzuentwickeln. Im Gespräch mit dem Top Magazin erklärt uns die Nachfolgerin von Hans Müller-Steinhagen, welche Elemente diese Vision beinhaltet und wie sie diese in der Dresdner Hochschullandschaft umsetzen will. Die neue Rektorin bringt reichlich Erfahrung für die anstehenden Transformationsprozesse mit. So ist die Psychologin unter anderem Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, deren Vizepräsidentin sie von 2007 bis 2017 war. Zudem war sie 2013 Gründungsdirektorin des Columbia Aging Centers an der Columbia University, New York und auch an der TU Dresden war sie bereits von 1999 bis 2003 als Professorin tätig.

Sie haben als Ziel ausgegeben, eine globale Universität für das 21. Jahrhundert zu ermöglichen. Welche Bausteine beinhaltet das Konzept?

Prof. Dr. Ursula M. Staudinger: Wir haben uns im neuen Rek­to­rat das Ziel gesetzt, die TU Dresden weiterzuentwickeln zu einer global bezogenen Universität, die aber gleichzeitig regional verankert ist, die sich ihrer regionalen Identität also stets bewusst ist. Wir wollen innovative Antworten zu den globalen Problemen beisteuern, mit denen sich die Menschheit momentan konfrontiert sieht. Dabei gibt es sechs Elemente, die uns den Weg zur globalen Universität ebnen sollen.

Welche sind das?

Das ist zum einen die Inter­disziplinarität auf Augenhöhe. Dieser Punkt ist so wichtig, weil die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts durchweg interdisziplinärer Natur sind. Wir brauchen ein breites Spektrum und ein Zusammenspiel der Disziplinen. Dabei darf aber keine Fachrichtung dominieren. Nur so können wir eine Vielfalt der Perspektiven wahren. Zudem wollen wir die Lehre noch viel stärker als gegenwärtig von der Forschung durchdringen lassen. Als Exzellenzuniversität wollen wir die Forschung und deren Ergebnisse sehr schnell an die Studierenden heranfüh­ren, wobei wir auch neue Prozesse und Instrumente entwickeln. Damit verknüpft ist das Bekenntnis zur Internationalität der Hochschule sowohl bei der Studierendenschaft als auch bei den Lehrenden. Wir wollen uns die Welt auf den Campus holen.

Prof. Dr. Ursula M. Staudinger (Rektorin der Technischen Universität Dresden) / Foto: © Michael Kretzschmar / TU Dresden
Sie erwähnten bereits die Perspektivenvielfalt. Welche Rolle spielt dieser Baustein in der Vision von der globalen Universität?

Die Perspektivenvielfalt ist essen­ziell, zumal wir sie aus ganz unterschiedlichen Quellen schöpfen können. Da sind zum einen die unterschiedlichen Betrachtungsweisen durch Geschlechterdiversität und durch unterschiedliche Altersgruppen. Aber auch die verschiedenen kulturellen und ethnischen Hintergründe unserer Univer­si­täts­mitglieder bilden Perspektivenvielfalt. Genauso müssen wir die Menschen mit chronischen Krankheiten oder Behinderungen als Teil unserer Perspektivenvielfalt begreifen. Die Perspek­ti­ven­vielfalt verhilft zu Innovation.

Welche Elemente gehören noch zur Vision der globalen Universität?

Eine entscheidende Rolle bei der Weiterentwicklung spielt die Digitalität. Ohne tiefgreifende Digitalisierung in allen Aktivitätsbereichen werden wir den Pro­zess zur globalen Universität nicht abschließen können. Zudem bekennen wir uns zur Rolle als zivile Akteurin, die ei­nen Beitrag für das Gemeinwesen leistet. Und als sechstes Ele­ment soll unsere Universität nicht nur eine große, sondern auch eine gute und moderne Arbeitgeberin sein.

Wie wollen Sie diese Überlegungen übersetzen in dieses vielgestaltige Konstrukt, das die TU Dresden ja ist?

Ein Schritt dafür ist die Er­weiterung des Rektorats, um die Verantwortlichkeiten für die einzelnen Aktivitätsbereiche der Hochschule zu definieren. Wir haben jetzt einen Chief Officer für Digitalisierung sowie einen Chief Officer für Internationalisierung und Technologie­transfer. Zudem haben wir mit dem Prorektorat für Universi­täts­kultur eine Abteilung geschaffen, die sich explizit der so­zia­len Ver­antwortung der Universität verpflichtet sieht. Aber natürlich ist es in einer so großen Institution nicht immer einfach, alle Mitglieder auf diesen Weg mitzunehmen. Deshalb pflegen wir im Rektorat einen sehr partizipativen Stil, mit dem wir unsere Strategie in die Fläche bringen wollen. Wir werben dafür und haben bisher auch gute Reaktionen bekommen.

Kann die TU Dresden mit der Betonung einer Uni­versitätskultur inklusive eines entsprechenden Wertekanons auch Vorbild für andere deutsche Hochschulen sein?

Wir sind zwar die erste Univer­sität, die ein Prorektorat für Universitätskultur geschaffen hat, aber natürlich fühlen sich alle Hochschulen in Deutschland einem bestimmten Wertekanon verpflichtet. Allerdings glauben wir, dass es nicht unbedingt selbstverständlich ist, dass dieser Wert­ekanon jeden Tag und immer wieder gelebt wird. Deshalb glaube ich schon, dass ein solches Prorektorat dabei hilft, Pers­pektivenvielfalt zu sichern, die Balance zwischen Arbeits- und Privatleben zu wahren und das Campus-Leben so zu bereichern, dass solche Werte jeden Tag unterstützt und gelebt werden können.

Sie haben die Rolle der Universität als zivile Akteurin be­tont. Inwieweit kann sie in die Stadtgesellschaft hineinwirken?

Das ist keine leichte Aufgabe, zumal wir uns über das gewohnte Maß hinaus weiterentwickeln wollen. Natürlich werden wir auch weiterhin das klassische Repertoire bedienen und Informationsveranstaltungen zu bestimmten Themen organisieren. Darüber hinaus suchen wir uns Partnerschaften im Kulturbereich, um gesellschaftlich relevante Themen aufzugreifen und an Bevölkerungsgruppen heranzutragen, die vielleicht nicht so viele Berührungspunkte zur Wissenschaft haben. Wir setzen uns aber auch auf verschie­denen Wegen einerseits für Nachhaltigkeit und andererseits für den Schutz unserer Demokratie ein. Nicht nur an den großen Gedenktagen wollen wir als Universität Gesicht zeigen und uns äußern. Ein weiteres Instrument ist, dass wir unseren Mitarbei­tenden zwei Tage im Jahr für ziviles Engagement in Projekten zur Verfügung stellen, die die TUD mit Partnern in der Stadt und dem Land entwickelt. Auch das ist eine Möglichkeit, in Teilen der Stadt sichtbar zu werden, die sonst kaum Bezug zu unserer Universität haben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Philipp Demankowski

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