Kultur trotz Lockdown
Im Lockdown ist Erfindungsreichtum gefragt. Dem Weniger an Kultur begegneten die Kreativen an den Dresdner Kulturstätten gleich mit einem ganzen Bündel an Ideen, wie wir unsere Sinne mit nachhaltigen und vielleicht sogar gesellschaftsprägenden Inhalten stimulieren können. Von Kulissenreporten über Ausstellungsrundgänge bis hin zu eigens produzierten Videos ist einiges dabei. Angenehmer Nebeneffekt: Die Inhalte sind entstanden, um zu bleiben. Während die einmaligen Theater-, Konzert- oder Museumsbesuche im Echo der eigenen Erinnerung langsam verhallen, kann man sich die Online-Inhalte immer wieder zu Gemüte führen. Das Internet hat eben immer noch ein paar Vorteile. Zwar kann nichts das Erlebnis vor Ort ersetzen, aber die hier versammelten Produktionen sind doch mehr als nur einen Blick wert.
HELLERAU – Bandstand
Im Festspielhaus hielt man trotz des Lockdowns am beliebten Nachwuchsbandwettbewerb Bandstand fest. Da die Konzerte aber nicht live in Hellerau durchgeführt werden konnten, haben sich die Veranstalter dazu entschlossen, neue Horizonte zu erschließen, dabei aber alte Pfade zu beschreiten. Jede der 17 beteiligten Bands hatte exklusiv für das Festival ein Musikvideo produziert, die dann im Stil einer MTV-Show am 12. und 13. Februar präsentiert wurden. Moderiert wird die Show von der Sängerin Diana Ezerex und der Performerin Joana Tischkau. Im Vorfeld wurden die Bands und Solokünstler von einer Jury ausgewählt, wobei das einzige Kriterium neben der Qualität der Musik darin lag, dass der Lebens- und Schaffensmittelpunkt in Sachsen liegt. Wer das Festival verpasst hat, braucht nicht verzagen. Alle Musikvideos sind über die Online-Kanäle von Hellerau auch jetzt noch abrufbar, genauso übrigens wie beliebte Hellerau-Standardreihen wie Feature Ring oder der Dienstagssalon mit Max Rademann.
www.hellerau.org/de/festival/bandstand
Deutsches Hygiene-Museum Dresden –
Future Food: virtueller 360 Grad-Rundgang
Das Deutsche Hygiene Museum Dresden hat sich mit virtuellen Angeboten besonders hervorgetan. Unter dem Schlagwort DHMDIGITAL hat das Museum einen bunten Strauß an Inhalten versammelt. So gibt es Podiumsdiskussionen und Vorträge zu Verschwörungstheorien nicht nur in Zeiten von Corona. Im Rahmen der Ausstellung „Im Gefängnis“ können Interessierte Inhaftierte zu ihrem Haftalltag befragen. Und in der Mediathek des Museums können die großen Sonderausstellungen der vergangenen Jahre wie „Rassismus“ oder „Pflanzen“ noch einmal besucht werden. Unser Tipp ist aber der 360 Grad-Rundgang durch die aktuelle Ausstellung „Future Food“, in dem Museumsguide David Münster verschiedene Exponate vorstellt und in dem sich die Besucher virtuell nach allen Seiten umschauen können. Spannend ist auch die dreiteilige Führung, in der die Dresdner Schülerin Mathilda, die Zusammenhänge von Produktion, Handel und Konsum von Lebensmitteln mit unserer Lebenswelt erklärt. Obendrein gibt es Videobeiträge zur Müllvermeidung und Rezepte der Lebensmittelretter-Initiative „Zur Tonne“.
www.dhmd.de/dhmdigital/future-food-digital
Staatsoperette – Late Night Mitte Digital und Reingehört
„Late Night Mitte“ heißt das Format, in dem Moderator Toni Friedrich das Ensemble und Stücke der Staatsoperette Dresden genauer unter die Lupe nimmt und sie auf Herz und Nieren nach ihrer Broadway-Tauglichkeit überprüft. Klar, dass dabei viel gesungen und getanzt wird. Der Talkmaster hatte das Projekt schon vor Corona aus der Taufe gehoben, im Lockdown erfand es dann sich neu im virtuellen Kleid als „Late Night Mitte Digital“. Nebenbei gibt Toni Friedrich einen exklusiven Einblick hinter die Kulissen. So auch bei der Online-Reportage „Reingehört“, die neben kleinen musikalischen Beiträgen und Mini-Konzerten auch digitale Führungen durch den Backstage-Bereich bietet. So führt beispielsweise Staatsoperetten-Chefmaskenbildner Thorsten Fietze durch die Maskenabteilung samt Werkstatt und verrät spannende Details. Zudem erklärt Tenor Dietrich Seydlitz auf amüsante Art und Weise die wichtigsten Theatergesetze und Bräuche.
www.staatsoperette.de/late-night-mitte-online
Staatsschauspiel Dresden – Ihr schreibt, wir spielen
Auf Publikumsbeteiligung setzt das Staatsschauspiel Dresden mit dem Format „Ihr schreibt, wir spielen“. Der Ort des Geschehens ist dabei der Instagram-Kanal der Dresdner Theaterinstitution. Zweimal im Monat werden die Follower nach Ideen abgefragt. Dabei sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Als Stichworte können Farbe, Gefühlen, Personen oder einfach nur bestimmte Wörter fungieren. Zwei Tage später werden aus den Begriffen die interessantesten und skurrilsten ausgewählt und in die Kreativwerkstatt der Dramaturgen geben, die aus den Inspirationen wiederum ein Theaterstück stricken. Das Resultat präsentieren Ensemblemitglieder wie Luise Aschenbrenner oder Viktor Tremmel dann in einem Video am Donnerstag der folgenden Woche. Und die Ergebnisse können sich wirklich sehen lassen. Die Serie soll auch nach dem Lockdown fortgesetzt werden. Die Reihe „Theatergesichter“ wiederum beleuchtet an jedem ersten Sonntag des Monats verschiedene Persönlichkeiten des Staatsschauspiels. Den Auftakt machte im Januar natürlich Intendant Joachim Klement.
www.staatsschauspiel-dresden.de/home/staatsschauspieldresden-at-home/
Semperoper – Making of der „Zauberflöte”
Eine Tiefenanalyse der „Zauberflöte“ bietet das Online-Angebot der Semperoper. Anlässlich der anstehenden, aber bislang aufgrund des Pandemiegeschehens immer wieder verschobenen Neuinszenierung von Mozarts Meisterwerk gibt Dramaturg Johann Casimir Eule Einblick in die Entstehung und Gestalt des Werkes. In einem Audio-Beitrag erläutert er zudem den Einfluss der einst in Wien populären Kasperl- und Zauberopern und beschreibt die Anfänge der „Zauberflöte“ in Dresden. Neu-Ensemble-Mitglied und Sopranistin Nikola Hillebrand singt in ihrer ersten Premiere die Königin der Nacht und berichtet im Audio-Gespräch mit dem Dramaturgen Kai Weßler von der Herausforderung der außergewöhnlichen Rolle. Auf dem YouTube-Kanal der Semperoper wiederum erklärt Regisseur Josef E. Köpplinger, inwieweit die Musik Mozarts den Takt für seine Inszenierung vorgibt. Auch Pamina-Darstellerin Tuuli Takala und Sebastian Kohlhepp, der den Tamino gibt, berichten in Videoform über die Herangehensweise an ihre Rollen.
www.semperoper.de
Städtische Museen – Ausstellungsrundgänge durch die Museen
Natürlich gibt es für einen Museumsbesuch vor Ort keinen adäquaten Ersatz. Aber mit den virtuellen Ausstellungsrundgängen durch die Häuser der Städtischen Musen gibt es eine Alternative, die der Erfahrung zumindest annähernd nahekommt. Das Online-Angebot basiert auf der Software Matterport, die eine interaktive Visualisierung von Objekten in 3D und virtueller Realität ermöglicht. Für die Präsentation der Standorte von Städtischer Galerie über Kraszewski-Museum bis zum Kügelgenhaus arbeitet der Museumsverbund mit dem Nieskyer IT-Unternehmen Sachsenhits zusammen. Einen ganz besonderen und lobenswerten Service bieten die Städtischen Museen auf ihrem YouTube-Kanal. In einem kurzen Video-Beitrag werden die verschiedenen Standorte der Museen in Gebärdensprache vorgestellt.
Zudem kann man sich einen Rundgang durch die Ausstellung von Frank Lippold mit dem Künstler höchstselbst ansehen. Erkunden kann man auch die Online-Sammlungsdatenbank der Museen, die stetig erweitert wird und die nach bestimmten Themen sortierte Exponate zusammenfasst.
www.museen-dresden.de
Staatliche Kunstsammlungen Dresden – Meme Creator
Umfangreich darf man durchaus auch das Online-Angebot der Staatlichen Kunstsammlungen nennen. Allein in der Mediathek gibt es über 100 Einträge. In informativ und unterhaltsam aufgearbeiteten Kurzfilmen beleuchten die Museen aktuelle und vergangene Sonder- und Dauerausstellungen von Gerhard Richter bis zum Völkerkundemuseum. Dass die Staatlichen Kunstsammlungen mit der Zeit gehen, zeigen sie mit dem Meme Creator: Aus der Online Kollektion können Nutzer ein Bild oder ein Exponat auswählen, mit individuellem Text versehen und abspeichern. Fertig ist der ideale Bildkommentar für den nächsten Social Media-Post. Der Online-Bestand ist so umfangreich, dass sich voraussichtlich zu jedem Diskussionsgegenstand unserer Zeit ein passendes Kunstwerk finden dürfte. Groß ist das Angebot auch in Sachen virtuelle Ausstellungsrundgänge. In den Panorama-Touren können die Besucher nach Herzenslust durch die Räume und Ausstellungen schlendern. Zu ausgewählten Schauen gibt es virtuelle Touren von Museumsguides. Ein Echtzeit-Format ist dagegen das Format „Art for Lunch“. Jeden Dienstag um 12 Uhr führen verschiedene Kuratoren durch eine Ausstellung bei einem Live Walk auf Facebook und Instagram. Im Anschluss kann man sich die Touren auch auf dem YouTube-Kanal der Staatlichen Kunstsammlungen ansehen.
https://www.skd.museum/special-pages/digital/
Die Angebote wachsen stetig. Schauen Sie immer mal wieder auf den Online-Plattformen der Kunst- und Kulturanbieter vorbei!
Redaktion: Philipp Demankowski