Sammlung zur Geschichte der Kochkunst für Dresden erworben

Detail. Menübuch der englischen Königin Elisabeth II., vom 5. Juni bis 15. Oktober 1959, Mittagessen und Abendessen am 7. Juli 1959. © SLUB Dresden, Ramona Ahlers-Bergner
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Die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) erwirbt mit der Sammlung Ernst Birsner (1935-2015) eine der größten Privatsammlungen zur Geschichte der Kochkunst und Gastfreundschaft im deutschen Raum.

Die Sammlung umfasst circa 30.000 Objekte – darunter 16.500 Menü- und Speisekarten von Höfen, Luxusschifffahrten und Sterne-Restaurants, 11.000 Bücher, 100 Manuskripte sowie Weinetiketten und Geschäftskarten. Die Kulturstiftung der Länder fördert den Ankauf mit 100.000 Euro.

Menükarten der Sammlung Birsner (u.a. handschr. Menü Carola von Sachsen (1833-1907) auf Jagdschloss Rehefeld bei Altenberg am Sonntag, 28. Juni 2901. Menü zu Silvester 1894 im Savoy-Hotel Berlin. Diplomatentafel bei Prinz Johann Georg von Sachsen (1869-1938) im Taschenbergpalais am 27. November 1911. Diner bei Graf von Einsiedel in Strehlen am 5. Dezember 1891.) © SLUB Dresden, Ramona Ahlers-Bergner

Dazu Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder: „Die Sammlung Birsner ist einzigartig in ihrer Umfänglichkeit – keine öffentliche Institution in Deutschland besitzt eine vergleichbare Sammlung zur Geschichte der Kulinarik. Umso mehr freut es uns, dass wir den Ankauf für die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden unterstützen konnten und die Sammlung damit in ihrer Gesamtheit bestehen bleibt und in den Besitz der öffentlichen Hand übergeht. Die Geschichte der Kochkunst ist eng verbunden mit der Geschichte der deutschen Höfe, Herrschaftsfamilien und unserer Gesellschaft – durch die Erforschung der Objekte aus der Sammlung Birsner erwarten uns spannende Erkenntnisse über Kochtechniken, Konsumverhalten sowie nationale und internationale kulinarische Strömungen.“

Die Sammlung Ernst Birsner

Ernst Birsner war 1935 im baden-württembergischen Kehl geboren worden. Nach einer Ausbildung zum Koch in Heidelberg und Anstellungen in verschiedenen europäischen Restaurants war er ab 1962 als Koch der Familie Burda und Leiter des Kochstudios des Burda-Verlags tätig gewesen. Er kreierte Rezepte für die Zeitschriften des Burda-Verlags und veröffentlichte zahlreiche Bücher. Ende der 1950er Jahre begann er, Kochbücher zu sammeln. Sein Interesse spann sich dabei über historische Menükarten, Koch- und Rechnungsbücher sowie Küchenzettel aller Epochen und machte ihn zu einem Kenner der Koch- und Gastronomieliteratur. Seine Bibliothek diente ihm zudem als Handapparat für seine Arbeit beim Burda-Verlag.

Über ein halbes Jahrhundert hinweg trug Birsner teils unikale Objekte zusammen. Der Schwerpunkt der Sammlung liegt auf Menü- und Speisekarten (19./20. Jahrhundert) und Büchern (16. bis 20 Jahrhundert) aus dem deutschsprachigen Raum, auch einige internationale Objekte sind Teil der Sammlung. Mehr als ein Drittel der Objekte stammt aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg.

Menükarten der Sammlung Birsner (u.a. Diner bei Graf von Einsiedel in Strehlen am 5. Dezember 1891. Tafel von Kronprinz Friedrich August (1865-1932) im Königshaus Leipzig am 27. Februar 1904. Geburtstagsdiner des Herzogs Ernst I. von Sachsen-Altenburg (1826-1908) am 16. September 1896.) © SLUB Dresden, Ramona Ahlers-Bergner
Küchenzettel, Menüvorschläge und Kochbücher

Die Sammlung umfasst drei Aspekte der Zusammenstellung von Speisen: auf Küchenzetteln finden sich Angaben zu Lebensmitteln, die für die Zubereitung eines Essens benötigt werden sowie Menüvorschläge für einen bestimmten Anlass, die Kochbücher geben Auskunft über die Verarbeitung der Lebensmittel und die Speise- und Menükarten gewähren einen Einblick in die Kompositionen der Gerichte sowie zeitliche, regionale und persönliche Vorlieben. Birsners Privatsammlung reicht von einer Ausgabe von Bartolomeo Platinas De Honesta Voluptate, des ersten gedruckten Kochbuches aus dem Jahr 1517 und der Entwicklung der Kochkunst der Hofküche über die Entstehung der Gourmetküche im 19. Jahrhundert, die Reformküche um 1900, der Kriegsküche und der Gastronomie während der Zeit des Wirtschaftswunders bis hin zur Nouvelle Cuisine. Die SLUB erwirbt die Sammlung von Edda Birsner, der Witwe und Erbin des Sammlers. Die ursprüngliche Herkunft der einzelnen Objekte ist bislang nicht vollumfänglich bekannt. Die Bibliothek verpflichtet sich daher, bei der Aufnahme der Sammlung Birsner in ihren Bestand die einzelnen Objekte auf ihre Provenienz hin zu untersuchen.

Faszinierender Blick auf die Kochkunst an Fürstenhöfen

Die Sammlung Birsner vereint Objekte rund um die Kochkunst unter anderem von Höfen in Berlin, Dresden und Weimar sowie zahlreicher deutscher und ausländischer Fürstenfamilien. Herausragende Objekte sind Menükarten des Krönungsmenüs des Zaren Alexander III., der ersten Nordamerika-Fahrt des Zeppelins „Hindenburg“ und eine Speisekarte aus dem Kölner Gasthaus „Hof von Holland“, eine der ältesten deutschen Speisekarten, die um 1780 gedruckt worden war. Persönliche Menübücher und lose Küchenzettel gewähren zudem Einblicke in die Ernährungsvorlieben Königin Carola von Sachsen (1833-1907), Kaiser Franz Joseph von Österreich (1830-1916) oder Queen Elizabeth II. (*1926). Einige der erworbenen Menükarten enthalten zudem künstlerische Verzierungen von bekannten Künstlern wie Adolph Menzel (1815-1905) oder Salvador Dali (1904-1989). Die zahlreich zusammengetragenen Menükarten des preußischen Hofes des späten 19. Jahrhunderts geben zudem Auskunft über Reisen und Gäste Wilhelm I. (1797-1888) und Wilhelm II. (1859-1941). Mithilfe gezielter Forschung können so zukünftig nationale und internationale Strömungen und Veränderungen in den Vorlieben und Zubereitungstechniken der damaligen Konsumenten noch detaillierter festgestellt werden.

Menübuch der englischen Königin Elisabeth II., vom 5. Juni bis 15. Oktober 1959, Mittagessen und Abendessen am 7. Juli 1959. © SLUB Dresden, Ramona Ahlers-Bergner
Digitalisierung und Ausstellung geplant

Die erworbenen Bestände sollen schnellstmöglich durch die SLUB digitalisiert werden, um sie Interessierten sowie Forscherinnen und Forschern zugänglich zu machen. Die Originale sollen zudem in geeignetem Rahmen ausgestellt werden. Die SLUB verwahrt bereits Bestände zur Geschichte der Kochkunst: 2005 erwarb sie die „Bibliotheca Gastronomica“ des Sammlers Walter Putz, 2018 folgte der Nachlass des Gastronomiekritikers Wolfram Siebeck. Mit dem Ankauf der Sammlung Birsner verstärkt die SLUB ihre Sammlung in diesem Bereich bildet einen neuen Schwerpunkt heraus.

Ein weiterer Förderer dieser Erwerbung ist neben der Kulturstiftung der Länder die Rudolf August Oetker Stiftung.

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