Vielseitiges, wunderbares Öl
Seit Jahrhunderten wird dem Öl eine besondere Bedeutung beigemessen: Könige wurden bei ihren Krönungszeremonien gesalbt, ägyptische Pharaonen für ihre Reise ins Totenreich einbalsamiert und für die letzte Ölung werden Priester zu Sterbenden gerufen. Dem Öl werden viele Eigenschaften zugeordnet. Es steht für Gesundheit, Schönheit, Sinnlichkeit, Genuss.
Oleum, oil, huile, olio – in weiten Teilen des europäischen Sprachraums lautet der Begriff für Öl ähnlich. Der Grund dafür liegt bei seinem Ursprung: dem Ölbaum, heutzutage bekannter unter dem Namen Olivenbaum. Schon in der Antike wurde der Ölbaum als Kulturpflanze gepflegt. Das hatte der bis zu etwa 20 m hohe, immergrüne Baum mit grauem, knorrigen Stamm und lichter, weitausladender Krone dem Umstand zu verdanken, dass er wegen seiner Früchte, aus denen das Öl gewonnen wird, so sehr geschätzt wurde.
Olivenöl
Die Herstellung des Öls aus Oliven hat sich seit Jahrhunderten weitgehend nicht verändert und erfolgt ausschließlich im mechanischen Verfahren. Dazu werden reife beziehungsweise kurz vor der Vollreife stehende Oliven nach der Ernte samt Kern gemahlen. Gewonnen wird das Öl, indem es entweder durch Pressen oder Zentrifugieren von den restlichen Bestandteilen – sprich: Schale, Fruchtfleisch, Kern – getrennt wird. Je nach Sorte benötigt man für einen Liter Öl etwa fünf bis zehn Kilogramm Früchte. Ein großer ausgewachsener Baum kann leicht bis zu 180 kg Oliven tragen. Im Durchschnitt werden von einem Olivenbaum 50-70 kg Oliven geerntet, das heißt, ein einziger Baum produziert pro Jahr etwa fünf bis zehn Liter Öl. Wie die meisten natürlichen Öle wird Olivenöl zur inneren Anwendung – wie zum Beispiel bei der Zubereitung von Speisen – als auch für die äußere Anwendung genutzt, so zum Beispiel in der Kosmetik.
Arganöl
Ähnlich wird das von der Schönheitsindustrie gepriesene Arganöl gewonnen. Es zählt zu den teuersten Ölen überhaupt. Die Gebiete, in denen diese Bäume wachsen, liegen ausschließlich im Südwesten Marokkos. Das Sammeln und Verarbeiten der Arganfrüchte ist von jeher Frauensache. Wegen der vielen Dornen und des dichten Astwerks können die Arganbeeren nicht vom Baum heruntergeschlagen werden. Daher werden die reifen Früchte per Hand vom Boden aufgelesen. Bei der Weiterverarbeitung wird das Fruchtfleisch entfernt und die harten Kerne mit Steinen aufgeklopft. Die so freigelegten Samenplättchen werden in einer Stein- oder Metallmühle zermahlen. Unter Zugabe von abgekochtem Wasser wird ein Brei zubereitet, der so lange gerührt und geknetet wird, bis das Öl in einem kleinen Rinnsal aus der Masse austritt. Zur Gewinnung eines Liters handgepressten Arganöls sind etwa zwei Tage Arbeit erforderlich. Für die Herstellung von einem Liter Öl werden etwa 30 Kilogramm Früchte benötigt, was der Ernte von vier bis fünf Bäumen entspricht. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erklärt sich der hohe Preis.
Rosenöl
Etwas anders ist der Prozess, wenn es um die Gewinnung von Pflanzenölen geht, die oft als Duftstoffe in Parfüms und Essenzen zu finden sind. Rosenöl zum Beispiel wird durch Wasserdampfdestillation gewonnen. Die dafür nötigen Blütenblätter werden von Hand gepflückt und vor allem in Bulgarien, Frank – reich, Iran, Marokko und der Türkei angebaut. Aus Bulgarien stammen etwa 70 % der Weltproduktion des echten Rosenöls, welches vornehmlich aus den Blütenblättern der Damaszener- Rose und der Alba-Rose gewonnen wird. Hier liegt seit Mitte des 18. Jahrhunderts die bedeutendste Anbauregion für Rosenöl. Zwischen dem Balkangebirge im Norden und dem Höhenzug der Sredna Gora im Süden und den Städten Kasanlak und Karlowo befindet sich das „Tal der Rosen“. Die Blütenblätter für das wohlriechende Öl müssen sehr früh am Morgen geerntet werden. Zu dieser Tageszeit ist nämlich der Ölgehalt der Rosen – blüten am größten. Etwa 35.000 Arbeiterinnen kommen in der Erntezeit zum Pflücken per Hand zum Einsatz. Die große Anzahl an Pflückerinnen erklärt sich aus dem Ertrag: Aus drei Tonnen Blüten wird ungefähr ein Liter Rosenöl destilliert. Das entspricht einer Ausbeute von lediglich 0,02 bis 0,05 %. Und das obwohl der Destillationsprozess bis zu siebenmal durchgeführt wird. In der Parfümerie ist Rose neben Jasmin der am häufigsten eingesetzte Blumenduft. Pharmakologisch wird Rosenöl für seine entzündungshemmende und bakterizide Wirkung geschätzt.
Lavendelöl
Krampflösend, beruhigend und antimikrobiell wirkt Lavendelöl. Bereits in geringen Mengen angewendet, werden beim Auftragen von Lavendelöl verschiedene Hefe- und Fadenpilze abgetötet, die beim Menschen Haut- und Nagelpilzerkrankungen verursachen können. Um das Öl zu gewinnen, werden die frischen Blüten der Lavendelpflanze per Wasserdampf destilliert. Die bekannteste Region zur Herstellung von qualitativ hochwertigen Lavendelölen ist Südfrankreich. Es gibt verschiedene Lavendelarten, darunter der echte Lavendel (lavandula angustifolia) und der Lavandin (lavandula intermedia), eine Abart des echten Lavendels, ein Lavendelhybrid. Echter Lavendel wächst nur in Höhen ab 800 m, vor allem an den Südhängen der Hochebenen von Sault und Albion. Von dort werden etwa 70 Prozent des echten Lavendels geliefert. Typisch für echten Lavendel ist, dass ein Stängel nur eine einzige Blütenrispe bildet. Für einen Liter echtes Lavendelöl werden 130 kg Rispen benötigt. Äußerlich wird Lavendelöl in Einreibungen und Badezusätzen, bei Verspannungen und Erschöpfungszuständen verwendet. Lavendelöl und Lavandinöl werden als Duftstoff in der Parfüm- und Seifenindustrie gebraucht, aber auch zur Abwehr von Insekten. Weitere Blumenblüten, die wegen ihrer Duftstoffe häufig in der Parfümindustrie genutzt werden, sind unter anderem Hyazinthen, Mimosen, Narzissen, Veilchen und Orangenblüten.
Hanföl
Weniger wegen seines Geruchs als wegen seiner gesundheitsfördernden Wirkung wird das Hanföl geschätzt, das vornehmlich in der Küche zum Einsatz kommt. War Hanf als Nutzpflanze viele Jahre wegen des Missbrauchs als Droge in den Hintergrund gerückt, so werden etwa seit den 1990er Jahren die vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten nach und nach wiederentdeckt. Hanföl als Speiseöl wird aus Hanfsamen gewonnen und enthält daher keine nennenswerten Mengen an Tetrahydrocan nabinol (THC), das für eine berauschende Wirkung verantwortlich ist. Es sollte daher weder mit dem ätherischen Hanföl verwechselt werden, dass aus destillierten Blättern und Blüten gewonnen wird, noch mit dem Haschischöl, bei dem es sich um ein Harzextrakt der Hanfpflanze handelt. Das aus den Hanfsamen kalt gepresste Hanföl hat einen nussigen Geschmack und eignet sich für Salate und kalte Speisen, Dressings, Soßen, Marinaden und Brotaufstrichen. Unbedenklich ist auch die Verwendung von Hanföl zum Dünsten und Dämpfen. Höheren Temperaturen, wie zum Beispiel beim Braten und Frittieren, sollte es nicht ausgesetzt werden, denn die wertvollen Fettsäuren sind äußerst hitzeempfindlich. Und gerade auf die kommt es an! Beim Hanföl sind mehr als 80 Prozent seiner Bestandteile ungesättigte Fettsäuren, die im Körper beispielsweise für den Transport von Sauerstoff verantwortlich sind. Vor allem die essenziellen Fettsäuren Omega 3 und Omega 6 sind darin in einem günstigen Verhältnis enthalten, nämlich von 3 zu 1. Bei anderen Pflanzenölen fällt das Verhältnis deutlich ungünstiger aus: Beim Maiskeimöl liegt das Verhältnis bei 50 zu 1, bei Sonnenblumenöl von 120 zu 1 und bei Distelöl sogar bei 150 zu 1. Zusätzlich enthalten ist im Hanföl die seltene Gamma-Linolensäure, die als entzündungshemmend gilt. Darüber hinaus dient das Hanföl als Lieferant für die Vitamine E, B1 und B2 sowie die Mineralstoffe Phosphor, Kalium, Magnesium, Kalzium, Eisen, Natrium, Mangan, Zink und Kupfer. Aufgrund seiner positiven Wirkung für die Haut wird Hanföl auch äußerlich zur Behandlung von Neurodermitis oder Schuppenflechte verwendet. Seine entzündungshemmende Wirkung kommt auch bei chronischen Erkrankungen zum Einsatz, wie zum Beispiel bei Arthrose und Rheuma.