Filmkritik „Exil“: Scham und Schweiß

Foto: © AlamodeFilm
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In „Exil“ erzählt Visar Morina konsequent und nur zu alltagsnah von Entfremdung und der Sehnsucht nach Identität.

Xhafer (Mišel Matičević) stammt aus dem Kosovo und arbeitet als Pharmaingenieur bei einem deutschen Unternehmen. Als er eines Tags eine tote Ratte an seinem Eingangstor findet, beginnt eine Ereigniskette, die der Rattenphobiker und nur als rassistisches motiviertes Mobbing im Büro deuten kann. Vor allem den Kollegen Urs (Rainer Bock) macht er als Verursacher aus. Immer mehr spitzen sich die Ereignisse zu und immer mehr verheddert sich Xhafer in einem Netz aus konkret erfahrenen Alltagsrassismen, Paranoia, Scham und Selbstzweifel. Der Familienvater fühlt sich entfremdet. Auch von seiner Frau (Sandra Hüller). Er sucht nach Spuren der Herkunft und nach Identität, wenn er seinen Kindern stundenlang beim Schlafen zuschaut oder eine Affäre mit der Putzfrau eingeht, die ebenfalls aus dem Kosovo stammt. Die Zuschauer nehmen konsequent Xhafers Perspektive ein und können dadurch seine wachsende Verwirrung nur allzu gut nachvollziehen.

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Die kleinen Fremdenfeindlichkeiten

Regisseur Visar Morina ist im Kosovo geboren, lebt aber seit seiner Jugend in Deutschland. Es ist davon auszugehen, dass er genau weiß, wovon er erzählt. Zum Beispiel von den kleinen Fremdenfeindlichkeiten, denen sich Xhafer immer wieder ausgesetzt sieht. So etwa wenn sein Name nicht richtig ausgesprochen wird oder wenn seine Herkunft vor der versammelten Bürogemeinschaft herausgestellt wird. Visualisiert wird das Geschehen von Bildern, die von der Sommerhitze geschwängert ist. Schweißperlen laufen über Nacken, Büro-Ventilatoren rattern. Es ist genau die Arbeitsatmosphäre, die sich keiner wünscht. Hinzu kommt der spartanische Score des Komponisten Benedikt Schiefer, der mit gespenstischer Vokalmusik und rhythmisch eingesetzten Field Recordings immer wieder punktuell zum beklemmenden Grundrauschen des Films beiträgt. „Exil“ ist ein großer Film in der Tradition eines Michael Haneke. Ein Film, der abseits von subtilen Rassismen und der Sehnsucht nach Identität ganz nebenbei auch den alltäglichen Horror im Büroalltag vergegenwärtigt.  

Exil

Regie: Visar Morina
Filmstart: 20. August 2020

Text: Philipp Demankowski

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