It’s Jazz, Jazz, Jazz! 20 Jahre, 20 Konzerte, 20 Spielstätten.

Kilian Forster im Schauspielhaus, Foto: H. J. Maquet
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Die Jazztage Dresden feiern 2020 ihr 20-jähriges Jubiläum. Das Programm des Festivals im Herbst ist bereits gut gefüllt.

Ein wunderschönes, gut erhaltenes Haus in Dresden-Niederwartha dient als Basislager für die Jazztage Dresden. Der angrenzende Wald und die Abgeschiedenheit der Straße signalisieren deutlich, dass die Welt hier noch in Ordnung ist. Aber natürlich kann der Eindruck täuschen. So ruhig es von außen wirkt, so wuselig ist es, wenn man hineingeht. Intendant Kilian Forster arbeitet hier mit einem kleinen, aber umso emsigeren Team Tag für Tag, um eines der größten Jazzfestivals in Europa zu stemmen. Bei unserem Besuch im Hauptquartier sind die Mitarbeiter gerade eifrig damit beschäftigt, das Festival vorzubereiten. Obwohl es erst im Herbst stattfindet, ist ein Großteil des Programms bereits gebucht. Doch normal ist zu diesem Zeitpunkt nichts. Das liegt einerseits daran, dass ein Jubiläum ansteht, denn die Jazztage gehen vom 21. Oktober bis zum 23. November in ihr 20. Jahr. Entsprechend viel Zusatzaufwand gibt es bei der diesjährigen Ausgabe. Andererseits aber muss sich Kilian Forster und sein Team während des Interviews bereits mit den Folgen der Corona-Krise auseinandersetzen. Die erste Veranstaltung musste verlegt werden. Eigentlich sollte das 20-jährige Jubiläum der Formation Klazz Brothers & Cuba Percussion gefeiert werden, die auch bei der Gründung der Jazztage eine entscheidende Rolle spielte und bei denen Kilian Forster als Bassist spielt. Das Konzert findet nun voraussichtlich am 25. Mai statt.

Top: Herr Forster, das erste Konzert im Jubiläumsjahr musstebereits verlegt werden. Wie wirkt sich die Corona-Krise auf Ihr Programm aus? Sie haben ja anlässlich des Jubiläums viel vor…

Kilian Forster: Aktuell haben wir 70 Prozent weniger Einnahmen im Ticketvorverkauf für die Jazztage. Das ist besorgniserregend, aber zumindest sind einige unserer Besucher zuversichtlich, dass wir die Krise dann im Herbst überstanden haben. Davon gehen wir natürlich aus. Wir hoffen aber auch, dass wir unsere Preview-Reihe „20 Jazztage zu den 20. Jazztagen“ durchführen können, die wir als Einstimmung für die Jazztage konzipiert haben. In diesem Zusammenhang steht als erstes das Konzert von Silje Nergaard am 29. April im Vienna House an, wo im Untergeschoss auch eine Ausstellung über die Jazztage zu sehen sein wird. Bis Ende des Jahres kommen dann noch 19 weitere hochkarätige Konzerte hinzu. Die Idee dahinter ist, zu den Veranstaltungsstätten zurückzukehren, in denen die Jazztage Dresden groß geworden sind.

Top: Inwiefern spielt das Konzert am 2. Oktober in der Kirche in Unkersdorf dabei eine besondere Rolle?

Kilian Forster: Das ist quasi eine Reminiszenz an den Ursprung des Festivals. 2000 hatten wir im Rahmen des 650-jährigen Ortsjubiläums von Unkersdorf ein Konzert mit den Klazz Brothersgegeben. Durch die spontane positive Resonanz bei der Gemeinde, den Kirchenmitgliedern und der Bevölkerung keimte noch während des Konzertes die Idee eines Jazzfestivals auf, welches 2001 mit den „Unkersdorfer Jazztagen“ begann. Bei der Neuauflage erwarten wir viele langjährige Freunde des Festivals und auch einige prominente Gäste.

Klazz Brothers & Cuba Percussion – Abschlusskonzert am 23. November im Kulturpalast Dresden, Fotos: Mirko Joerg Kellner
Top: Das Konzert von Klazz Brothers & Cuba Percussion wiederum findet innerhalb einer anderen Reihe statt?

Kilian Forster: Ja, genau. Das Konzert im ORGÆNIC Salon findet innerhalb des Formats JAZZnoTALK statt. Diese Reihe mit vier Konzerten im Jahr gibt es jetzt auch schon seit acht Jahren. Dabei veranstalten wir in der ersten Stunde zunächst ein ausdrückliches Listening-Konzert. Die Besucher sollen sich dem Hörgenuss möglichst unverfälscht hingeben. Danach gibt es ein einstündiges moderiertes Künstlergespräch, bei dem explizit Fragen gestellt werden können. Und zum Abschluss folgt dann eine Live-Session, bei der dann auch geredet, getanzt oder genetzwerkt werden kann.

Top: Warum spielen die Klazz Brothers & Cuba Percussion in der Geschichte der Jazztage eine wichtige Rolle? Es ist ja sicher kein Zufall, dass sowohl die Band als auch das Festival in diesem Jahr ihr 20. Jubiläum feiern?

Kilian Forster: Eigentlich hatten wir das Konzert ja am 16. März geplant. Das muss nun verlegt werden, was schade ist, denn das Datum war genau der Tag, an dem wir uns vor 20 Jahren kennengelernt haben. Damals waren wir auf einer Tour mit der Dresdner Philharmonie in Kuba. Fortan entstand ein reger deutsch-kubanischer Austausch, der zur Bildung der Band Klazz Brothers & Cuba Percussion und ein Stück weit auch zur Gründung der Jazztage geführt hat.

Top: Die Corona-Krise trifft Sie auch deshalb besonders hart, da Sie das Festival größtenteils über das Ticketing finanzieren…

Kilian Forster: Das stimmt leider. Wir finanzieren uns zu 85 Prozent über unsere Ticketverkäufe. Nur fünf Prozent des Gesamtvolumens des Festivals werden von Stadt und Freistaat gefördert. Das ist alles andere als fair. Vergleichbare sächsische Veranstaltungen kommen auf mindestens 50 Prozent. Dazu kommt, dass wir das ganze Festival mit 4,5 Stellen stemmen, und das jährlich in einem immer größeren Rahmen. Das kommt meist der Selbstausbeutung gleich. Ein Jazzfestival, das über einen Zeitraum von einem Monat eine solche Dichte an hochkarätigen Konzerten bietet, gibt es sonst nirgendwo. Das sieht man auch an den Zuschauern. Schließlich besteht unser Publikum zu fast 30 Prozent aus überregionalen Gästen. Viele machen in dem Zeitraum in Dresden Urlaub. Die Jazztage sind also ein touristischer Faktor, was auch die Hotellerie erkannt hat, die uns in den letzten Jahren etwa bei den Künstler unterkünften sehr geholfen hat.

Kilian Forster, Foto: Mirko Joerg Kellner
Top: Auf welche Spielstätten setzen Sie im eigentlichen Festival-Zeitraum im Herbst?

Kilian Forster: Wir konzentrieren uns vor allem auf die zentralen Spielstätten Ostra-Dome und Ostra-Studios, die sich bei ihrer Premiere 2019 mehr als bewährt haben. Trotz der extrem sportlichen Bauzeit wurde im Vorfeld das Meiste fertig und die teils doch großen Kinderkrankheiten in Bezug auf die Heizung sind behoben. Von den Künstlern wie auch von den Besuchern kam viel positives Feedback bezüglich Akustik und Atmosphäre. Daneben wird es weitere Konzerte in der BallsportARENA, im Kulturpalast, in der Staatsoperette und im Staatsschauspiel geben.

Top: Wird die Jubiläumsausgabe das Genre Jazz wieder sehr vielfältig ausdefinieren? Auf welche Künstler freuen Sie sich besonders?

Kilian Forster: Wir halten an der musikalisch großen Vielfalt von u.a. Swing, Funk, Latin, Fusion & Modern Jazz sowie Crossover zu Techno, Pop & Rock fest. Wir wollen den Verstand kitzeln und das Bauchgefühl erfreuen. Mit dem Best Of der 20. Jazztage kehren zahlreiche Publikumslieblinge zurück. Bereits im Verkauf sind etwa Ute Lemper, Al Di Meola, Konstantin Wecker, Maceo Parker, das Tingvall Trio, Die Zöllner, Charly Gitanos oder Jocelyn B. Smith. Ein echtes Highlight ist sicher wieder Gregory Porter in der BallsportARENA. Auch die Saxofonistin und Sängerin Tina Tandler wird wieder mit dabei sein, diesmal sogar mit einem Zusatzkonzert. Sie ist jetzt zum vierten Mal in Folge da, wobei sie ihre Besucherzahlen Jahr um Jahr steigern konnte, so dass ein zusätzliches Konzert Sinn macht. Über solche Entwicklungen freue ich mich sehr. Es wird ein ereignisreiches Jahr. Obwohl wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht das komplette Programm gebucht haben, steht schon jetzt fest, dass die Jazztage 2020 so viele Konzerte wie noch nie bieten werden.

www.jazztage-dresden.de

Text & Interview: Philipp Demankowski

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