Theaterkritik „Peter Holtz, Sein glückliches Leben erzählt von ihm selbst“: Peterchens Länderpartie

Moritz Kienemann als „Peter Holtz”, Foto: Sebastian Hoppe
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Mit Naivität gesegnet wurschtelt sich der Hauptcharakter in „Peter Holtz, Sein glückliches Leben“ erzählt von ihm selbst durch zwei Republiken in der Bühnenversion des Romans von Ingo Schulze.

Es ist ein Parforceritt, den Moritz Kienemann bei jeder Aufführung hinter sich bringt. Sein Peter Holtz ist dann auch der Höhepunkt des fast gleichnamigen Stückes. Regisseurin Friederike Heller lässt ihn in ihrer Version des Romans von Ingo Schulze nicht nur Unmengen an Text aufsagen. Er muss auch körperlich an alle Grenzen gehen und auf der Bühne Kilometer zurücklegen wie sonst nur im Shopping-Rausch. Wie er dem Publikum am Anfang und am Ende begegnet, leuchtet insofern ein, als dass er alles geben muss, was er hat: Kraft, Konzentration, Kontrolle. Moritz Kienemann hat so viel zu bewältigen, dass er sich bei jeder Vorstellung eine eigene Version seines Peter Holtz erarbeitet. Das wäre zumindest nachvollziehbar. Seine sechs Kolleginnen und Kollegen auf der Bühne haben es unter diesen Voraussetzungen schwer, Akzente zu setzen, zumal sie zum Teil in unterschiedlichen Rollen auftauchen. Dazu gesellt sich Peter Thiessen von der Band Kante, der einmal mehr am Staatsschau spiel für die Musik zuständig ist. Gleich am Anfang des Stücks hat er bei der Premiere mit technischen Problemen zu kämpfen, die aber vom Ensemble sympathisch überspielt werden.

Foto: Sebastian Hoppe
Naiver Idealismus siegt

Nicht nur Moritz Kienemann, auch Regisseurin Friederike Helller hat sich einiges vorgenommen. Immerhin gilt es, 25 Jahre der Lebensgeschichte des Peter Holtz auf die Bühne zu bringen. Los geht’s mit dem Stück und Peter Holtz genau dort, wo alles einmal enden wird. In der Psychiatrie. Wie es so weit kommen konnte, verhandelt der Roman. Denn die zunächst als naiver Idealist gezeichnete Hauptfigur, die den Kommunismus irgend – wie immer falsch auslegt, sieht zwischen den 1970er und 1990er Jahren zwei Staaten vorüberziehen, die er beide nicht so recht fassen kann. Die große Zäsur verarbeitet der Schelm im Vorbei – gehen, indem er Geld als altes Feindbild umkehrt und plötzlich auf der Grundlage verfallener Immobilien jede Menge Moneten anhäuft. Schläue muss er dabei gar nicht an den Tag legen, seine Naivität funktioniert auch in der neuen Republik. Versinnbildlicht wird der sich steigernde Reichtum auf der Bühne durch die unaufhaltsame Verfettung des Peter Holtz. Um das plastisch darzustellen, braucht Moritz Kienemann keinen Fatsuit. Stattdessen stopft er sich immer mehr Plastikbälle in die von den Kostümbildnern äußerst stabil geschneiderte Hose. Die Metapher ist nicht zu übersehen.

v.l.: Christine Hoppe, Hans-Werner Leupelt, Torsten Ranft, Moritz Kienemann, Betty Freudenberg, Foto: Sebastian Hoppe
Punk zum Weglächeln

Allerdings verlässt sich das Bühnenbild etwas zu sehr auf die bunten Bälle, die das Geld symbolisieren sollen und nach dem Zeitpunkt, der im Stück die Wende markiert, ohne Unterlass auf die Bühne herunterregnen. Irgendwann wähnt man sich fast schon auf dem McDonalds-Kindergeburtstag, zumal die Darsteller ständig auf den Bällen ausrutschen. Andererseits ist das vielleicht auch genau das richtige Bild für den in voller Blüte stehenden Hochkapitalismus der 1990er Jahre. Insgesamt ist Peter Holtz’ Trip durch zwei Gesellschaftssysteme etwas zu brav inszeniert. Man fühlt sich eher an die zahllosen TV- und Kino-Verfilmungen zur deutschen Geschichte erinnert als an eine bitterböse Satire. Die unvermeidlichen Stasi-Mitarbeiter werden natürlich vorgeführt und belächelt. Und die Kulturverantwortlichen, die über die aus dem Nichts entstehende Punkband von Peter Holtz zu entscheiden haben, sind von drolliger Niedlichkeit, wenn sie sich zum Tanzen mitreißen lassen und das revolutionäre Potenzial der Musik verkennen. Übrig bleibt ein Stück, dass humoristisch oft die richtigen Knöpfe drückt, seine Moral aber nicht konsequent ausspielt. 

„Peter Holtz, Sein glückliches Leben erzählt von ihm selbst“ von Ingo Schulze in einer Spielfassung von Friederike Heller
Kleines Haus, Glacisstraße 28, 01099 Dresden
Nächste Vorstellungen unter www.staatsschauspiel-dresden.de
Text: Philipp Demankowski

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