Filmkritik „Undine“: Unter der Oberfläche

Foto: © Schramm Film/ Hans Fromm
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Christian Petzolds „Undine“ besticht vor allem durch das großartige Zusammenspiel seiner beiden Haupakteure.

Kein Zweifel, auch „Undine“ fühlt sich wie ein typischer Film von Christoph Petzold an. Die Charaktere huschen fast wie Geister durch melancholische Bilderwelten in einer ruhigen, aber stets authentischen Klangkulisse. Sie reden leise miteinander, wählen ihre Wort mit Bedacht, so dass sie voller Dringlichkeit sind. Im Gegensatz zu den auch international relativ erfolgreichen Vorgängern „Transit“ und „Phoenix“ fühlt sich „Undine“ allerdings reduzierter an, nicht nur weil er die fünf bis sechs zentralen Drehorte kaum verlässt. Auch der Plot entspinnt sich in berechenbaren Bahnen. Historikerin Undine wird von ihrem Freund Johannes verlassen, nur um kurz darauf den Industrietaucher Christoph kennen und lieben zu lernen. Fortan entwickelt sich eine bestechende Liebesgeschichte, die allerdings darunter leidet, dass Undine ein Geheimnis in sich trägt.

Foto: © Schramm Film/ Christian Schulz
Magischer Realismus in Reinkultur

Wie schon in „Transit“ arbeitet der Regisseur auch in seinem neuesten Film mit den beiden Hauptdarstellern Paula Beer und Franz Rogowski zusammen. Absolut nachvollziehbar, nicht nur weil beide zu den renommiertesten Schauspielern ihrer Generation gehören, sondern vor allem, weil sie eine unvergleichliche Chemie miteinander aufbauen können. Wenn sich Undine und Christoph umarmen, steht die Zeit still. Paula Beer bleibt vielleicht noch ein wenig mehr im Gedächtnis, wenn sie mit strenger Zurückhaltung über die Berliner Stadtgeschichte doziert. Christian Petzold findet für die Geschichte Bilder, die fest in unserer Realität verankert sind. Die dem Filmprinzip innewohnenden fantastischen Elemente werden visuell nie offen sichtlich ausgespielt, brodeln aber spürbar stets leise unter der Oberfläche. Dadurch hat „Undine“ viel gemein mit jüngeren Filmen wie „Border“ des dänischen Regisseurs Ali Abbasi oder „Thelma“ des Norwegers Joachim Trier, die auf ähnliche Art und Weise mit magischem Realismus spielen.

Foto: © Schramm Film/ Marco Krüger
Rekurs auf deutsche Romantik

War es in der Anna-Seghers-Adaption „Transit“ noch relativ unverfälscht die Flüchtlingskrise, legt Christian Petzold auch in „Undine“ wieder zahlreiche Fährten für Anknüpfungspunkte an aktuelle gesellschaftliche Debatten. Diesmal allerdings etwas versteckt. Wer will, findet Bezüge zur Ausbeutung von Selbst – ständigen, zur Gentrifizierung und zum verschärften Wohnungsbau. Die Essenz des Films ist aber die Liebes ge schichte zwischen Undine und Christoph. Wer sich mit antiker Mythologie auskennt, wird Gemeinsamkeiten mit einem Motiv entdecken, das schon in der Odyssee eine wichtige Rolle spielte. Christian Petzold zieht aber eine andere Bedeutungslinie, denn „Undine“ soll der Auftakt einer Trilogie mit Figuren der deutschen Romantik sein. Der erste Teil liegt nun vor und hat bei der Berlinale, bei der Christian Petzold mit seinen Filmen so etwas wie ein Stammgast ist, zumindest aufhorchen lassen. Im Wettbewerb wurde immerhin Paula Beer mit dem Silbernen Bären als beste Darstellerin ausgezeichnet.

Undine
Regie: Christian Petzold
Filmstart: 11. Juni 2020
Text: Philipp Demankowski

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