Theaterkritik „Richtfest“: Häuslebauer wider Willen?

Foto: Sebastian Hoppe
0
Tom Kühnel inszeniert am Schauspielhaus Dresden die Gesellschaftssatire „Richtfest“ von Lutz Hübner und Sarah Nemitz, bei der vor allem die komödiantischen Elemente zünden.

Kann eine Bau- mehr als eine Zweckgemeinschaft sein? Muss sie das sogar angesichts der Tatsache, dass unterschiedliche Parteien ihr Geld zusammenwerfen und damit auch abhängig sind von den Lebensentscheidungen der anderen Mitglieder? Wie gut sollte man sich dafür kennen? Sollte man einen ähnlichen sozioökonomischen Hintergrund vorweisen können oder kommen Menschen aus unterschiedlichen Zusammenhängen im Sinne eines Projekts auch so miteinander klar? Das sind die Fragen, die Lutz Hübners „Richtfest“ aufwirft, in dem sich sechs Parteien zusammenfinden, um gemeinsam eine Bauherrenschaft zu übernehmen. Natürlich lassen die Konflikte nicht lange auf sich warten. Die Handlung entfaltet sich vor einer Kulisse, die offensichtlich an einen Partisanenkrieg in einer Gebirgslandschaft erinnern soll. Passend dazu sind die Protagonisten in Uniformen kostümiert. Die Vorausdeutung legt zumindest nahe: Auch das Projekt Baugemeinschaft kann sich zu einem Kleinkrieg entwickeln. Der Widerspruch zwischen Text und Kulisse ist also natürlich einkalkuliert und wird mit Absicht ins Absurde geführt. Wenn sich die Parteien dann gegenseitig von den innerfamiliären Neuigkeiten berichten, während ein Berg erklommen wird, ist das aber auch von einer bestechenden Komik.

Große Gesten

Zu Publikumslieblingen im elfköpfigen Ensemble entwickeln sich im Laufe der Show zwei Schauspielerinnen. Einerseits die PR-Frau Vera, die zwar von Betty Freudenberg konsequent unsympathisch dargestellt wird, ihre Empathielosigkeit aber mit charmantem Spiel beim Publikum ausgleicht. Das noch größere Ereignis ist aber Nadja Stübinger als Birgit. Im Dialog mit ihrem Mann, dem treuherzigen Beamten Holger (Raiko Küster), entwickelt sie ihr Spiel in Richtung einer Diva aus dem klassischen Hollywood. Nadja Stübinger dabei zu beobachten, wie sie die große Gestik auffährt, ist ein großer Spaß. Überhaupt sind es die kleinen Nebensächlichkeiten, die das Stück zu einer gelungenen Komödie machen. Häufig teilt sich die komplette Besetzung die Bühne, denn zahlreich sind die Gelegenheiten, bei denen alle Mitlieder der Baugemeinschaft zusammenkommen. Wer dann die Konzentration von den sprechenden zu den gerade stummen Figuren lenkt, kann sich nicht selten an witzigen Manierismen erfreuen. Liebe zum Detail in der Ausarbeitung der Charaktere kann man in jedem Fall attestieren.

Furioses Finale

Im klassischen Stil einer Gesellschaftssatire entladen sich die Probleme am Ende in einem furiosen Finale, das an Komik kaum zu überbieten ist. Die Vorurteile, die bis dato nur innerhalb der Parteien thematisiert werden, brechen sich Bahn, Wahrheiten kommen ans Licht. Das Projekt der gemeinsamen Baugemeinschaft scheint kaum mehr durchführbar. Zwar spitzen sich die Konflikte zu, die Kulmination des Ärgers kommt dann aber doch ein wenig überraschend und wirkt leicht herbeigeschrieben. Dass die Figuren sich in der letzten Szene ihrer Uniformen entledigen und die Kostüme tragen, die offensichtlich der Realität entsprechen, ist ein Kniff, der sich nicht ganz erschließt. Nach zwei Stunden ist das Projekt zwar zu den Akten gelegt. Die Zuschauer haben dafür zwei vergnügliche Stunden mit einigen Lachanfällen hinter sich gebracht.

Text: Philipp Demankowski
„Richtfest“ von Lutz Hübner und Sarah Nemitz

Regie: Tom Kühnel

Schauspielhaus, Theaterstraße 2, 01067 Dresden

www.staatsschauspiel-dresden.de

Sie interessieren Sich möglichweise auch für:

X