Vom roten in den blauen Ozean

Mit der richtigen Strategie zur Nutzen-Innovation.
Ein Beitrag der Akademie für den Mittelstand von Thomas Wolf.

Seit Mitte September ist klar, dass in Sachsen eine weitere Behörde ansässig wird. Die Agentur für Sprunginnovation soll ihren Sitz in Leipzig haben. Damit bekommt Leipzig neben der Agentur für Innovation in der Cybersicherheit eine zweite Behörde, die sich mit den Themen Hightech, Künstliche Intelligenz, IT-Sicherheit und Innovationen beschäftigt.
Vorbild der Agentur für Sprunginnovation ist die seit 60 Jah­ren existierende US-amerikanische Forschungsbehörde Darpa, die sich unter anderem für die Entwicklung des Inter­nets, Global Positioning Systems (GPS) oder der Sprach­steuerung bei Smartphones stark gemacht hat.
Mit der Unterstützung aus Leipzig sollen zukünftig hoch innovative digitale Produkte „Made in Germany“ entstehen. Ausgestattet mit einem Budget von rund einer Milliarde Euro für zehn Jahre sollen unter der Führung von Rafael Laguna de la Vera circa 35 bis 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter daran arbeiten, den Standort Deutschland als weltweiten Inno­va­tions­­treiber zu reaktivieren.

Thomas Wolf ist studierter Medienwirt und hat einen Master in Business Ad­mi­nis­tration (MBA). In seiner Masterarbeit be­fasste er sich intensiv mit der „Blue Ocean Stra­tegy“. Als Be­rater unterstützt er Un­ternehmen dabei, die richtige strategische Kontur zu finden. Er ist auch Do­­zent der Aka­demie für den Mittelstand. / Foto: © Tobias Ritz

Sprunginnovationen sind als „echte Innovation zu verstehen, die bestehende Produkte, Dienstleistungen und auch Märkte vollständig verändern und so auch neue Märkte, Netzwerke sowie Nutzenwelten und damit auch Geschäftsfelder entstehen lassen“, sagt Prof. Dr. Michael Bernecker (Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Marketing). Diese disruptiven Ent­wick­lungen haben ein hohes Potenzial existierende Geschäfts­modelle zu zerstören, in jedem Fall aber können sie ihnen sehr gefährlich werden. Zu nennen sind hier Uber (Taxis), Airbnb (Hotels) oder auch die damalige Scout-Gruppe, die die Ru­bri­ken-Märkte von Tageszeitungen hat erodieren lassen.

Mit Nutzen-Innovationen dem Wettbewerb entfliehen
Was heißt das aber letztlich für den Mittelstand? Welches Un­ternehmen in Sachsen hat vergleichbare Budgets, um Sprung­innovationen zu entwickeln? Das dürften tatsächlich die wenigsten sein. Und dennoch steht der sächsische Mittelstand diesen Entwicklungen gegenüber und braucht Antworten, um das erfolgreiche Bestehen zu sichern. Hierzu muss sich jeder Unternehmer oder Ge­schäfts­führer intensiv mit seinem Markt, seiner Branche, den Zukunftstechnologien, seinen Kunden und auch Nicht-Kunden befassen, immer mit dem Ziel vor Augen einen „blauen Ozean“ zu erreichen, indem man zumindest zweitweise ohne Wettbewerb schwimmen kann. Hart um­kämpfte Märkte nennt man rote Ozeane, in denen sich Kon­kur­renten gegenseitig um größere Kuchenstücke eines gleich groß bleibenden Ku­chens „blutig beißen“.

Wie gelangt man aber mit einer Nutzen-Innovation in einen blauen Ozean? Zuerst muss das Bewusstsein für eine anstehende Veränderung vor­han­den sein, denn nur so wird genügend Energie freigesetzt, um den Weg in neue Märkte zu schaffen. Mit der richtigen Einstellung und dem richtigen Team schaut man sich am Anfang den IST-Zustand des Unter­nehmens an. Da es jedoch immer wieder signifikante Unterschiede in der Eigen- und Fremdwahrnehmung des Unternehmens gibt, bietet es sich an, dass man auch die Kunden und Lieferanten mit einbezieht, um eine möglichst objektive strategische Kontur des Unter­nehmens erstellen zu können.
Die strategische Kontur ist ein Instrument aus der „Blue Ocean Strategy“, die auf Basis mehrjähriger Forschung und der Analyse von tausenden erfolgreichen Unternehmen entstanden ist. Visuell unterstützt stellt sie dar, wie das eigene Unter­neh­men im Vergleich zur Branche oder zum Wettbewerb dasteht und gibt Hinweise darauf an welchen Punkten über die Stell­schrauben Eliminierung, Reduzierung, Stärkung und Kreation marktwirksame Veränderungen herbeigeführt werden können – der SOLL-Zustand (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Die Strategische Kontur visualisiert den IST-Zustand eines Unternehmens gegen­über Wettbewerbern oder der Branche insgesamt. Auf dieser Basis kann der zukünftige SOLL-Zustand entwickelt werden. / Quelle: Thomas Wolf


Ein neuer Zustand heißt aber nicht automatisch gleich Erfolg, denn die Lösung muss der anvisierten Käufergruppe auch einen echten Nutzen bringen. Ist der Nutzen gegeben, geht es im Anschluss darum den möglichen Marktpreis zu ergründen und erst danach darf sich das Unternehmen mit den Kosten befassen. Warum? Wenn ein Produkt für 100 Euro hergestellt werden kann und der Markt aber nur 90 Euro zahlen möchte, entsteht ein veritables Pro­blem. Erst wenn bekannt ist, was der Kunde bereit ist zu zahlen, kann kalkuliert werden, was die Herstellung kosten darf (siehe Abb. 2).

Abb. 2: Eine Nutzen-Innovation entsteht dann, wenn es ein Unternehmen schafft sich gegenüber der Branche / dem Wettbewerb preislich und / oder funktional abzusetzen und Nicht-Kunden zu Kunden macht. / Quelle: Thomas Wolf


Mit der neuen strategischen Kontur, also dem neuen Produkt oder der neuen Dienstleistung, können Unternehmen nicht nur existierende Kunden bei der Stange halten. Es entstehen gleichermaßen Zugänge zu Nicht-Kunden, also Menschen und Unternehmen, für die das vorherige Angebot nicht interessant oder zu teuer war. Die „Blue Ocean Strategy“ beschreibt hier drei Gruppen von Nicht-Kunden.

Blue Ocean Strategy
Die „Blue Ocean Strategy“ beschreibt hier drei Gruppen von Nicht-Kunden:

  • Baldige Nicht-Kunden: Restaurantbesuche sind für viele Menschen etwas Be­sonderes. Baldige Nicht-Kunden in dieser Branche gehen eher selten außerhalb essen und würden sofort zu Nicht-Kunden werden, wenn es z.B. geschmacklich vergleich-bare, aber viel günstigere Fastfood-Angebote gäbe. Für sporadische Kunden eines italienischen Restaurants war damals die Eröffnung von Vapiano ein Wechselgrund.
  • Sich verweigernde Nicht-Kunden: Hier prallen Welten aufeinander. Die aktuelle Klima­dis­kussion liefert hier ein wunderbares Beispiel. Ein überzeugter Lasten­radfahrer wird sich niemals für einen SUV von Unternehmen A entscheiden. Wenn es Unternehmen A aber schafft, durch eine Nutzen-Innovation ein Pro­dukt auf den Markt zu bringen, was dem Lastenradfahrer zusagt, kann der „sich verweigernde Nicht-Kunde“ plötzlich zum Kunden werden. Mittlerweile bieten fast alle deut­schen Autohersteller auch Fahrräder an.
  • Unentdeckte Nicht-Kunden: Diese Zielgruppe ist extrem spannend für Unternehmen, die Nutzen-Innovationen entwickeln wollen. Denn hier ent­stehen plötzlich Märkte, die sich vorher niemand vorstellen konnte. Vor Jahren noch, war das Bleaching (dt. Zahnaufhellung) ein Service, den ausschließlich Zahn­ärzte für teures Geld angeboten haben. Heute bekommt man das Bleaching für zuhause überall zu kaufen.

Mit den einzelnen Modulen der „Blue Ocean Strategy“ schaffen es Unternehmen, sich komplett oder in Teilbereichen neu aufzustellen, um mit Produkten und Dienstleistungen neue und unerschlossene Märkte zu öffnen. Hierzu bietet die Akademie für den Mittelstand Seminare und Beratung an, so Hans-Josef Helf als Direktor der Akademie.

Text: Thomas Wolf

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