Nena im Interview: „Bei Mick Jagger kriege ich weiche Knie…“

Bild: Florentine Paura
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Vor 40 Jahren erschien ihre erste Single „Ecstasy“ – jetzt feiert Nena ihr Platten-Jubiläum mit einer Open-Air- Tournee und kommt am 13. Juli nach München. Ein Top-Interview…

Laut „Spiegel“ verbindet die Sängerin aus Hagen „souverän die Rhetorik des Schlagers mit der Ästhetik des Rock und übersetzt dessen überholte Herz-Schmerz-Romantik in die blumige Sprache moderner New-Age-Aktivistinnen“. Nicht nur beim Interview in ihrer Wahlheimat Hamburg wirkt die fünffache Mutter und vierfache Großmutter, die eigentlich Gabriele Susanne Kerner heißt, deutlich jünger als 59. Schönheit kommt von innen und von schönen Gedanken, lautet ihr Anti-Aging-Rezept. Sichtlich fit und bester Laune spricht sie von ihren punkigen Anfängen und einer persönlichen Begegnung mit den Rolling Stones.

Nena, was macht Ihre 2018er Tour „Nichts versäumt“ für Sie unvergesslich?

Nena: Ein wahnsinnig cooles Gefühl, was immer noch anhält und in mir nachklingt! Und dann waren auch noch alle Kinder, die bei mir im The Voice Kids-Team waren, mit uns auf der Bühne. Ein gebührendes Wiedersehen!

Ihre eigenen Kinder stehen inzwischen mit Ihnen auf der Bühne. Welchen Einfluss haben sie auf Ihre Musik?

Es ist schon verrückt: Meine Zwillinge Sakias und Larissa sind mittlerweile schon seit Jahren fester Teil meiner Band. Und seit zwei, drei Jahren ist mein jüngster Sohn Simeon mit von der Partie und spielt Keyboards. Ich liebe es, sie dabei zu haben, und freue mich auch immer über ihre Ideen. Mein ältester Sohn Sakias schlug zum Beispiel vor, den Show-Opener mit fetten Trommeln zu spielen und eben nicht nur der Drummer, sondern die ganze Band an unterschiedlichsten Pauken. Er war es auch, der mich monatelang darauf ansprach, dass ich doch einige der alten Songs im Original-Sound der 80er Jahre spielen soll. Also mit den Original-Keyboards und allem eben genau so wie damals auf Platte… Als wir damit das erste Mal im Proberaum standen, war das für uns alle ein totaler Kick.

Was war für Sie bei der Tour ein magischer Moment, eine emotionale Explosion?

Der Show-Opener „Indianer“ war jeden Abend eine absolute Energie-Explosion. Wenn ich auf die Bühne komme, möchte ich am liebsten gleich durch die Halle fliegen. Und dann ging es ja 45 Minuten lang weiter im Original-Sound der 1980er. Das hat richtig Spaß gemacht! Und wir haben ja auch 1980er-Nena- Songs gespielt, die ich bis dahin noch nie live gespielt hatte, wie „Das alte Lied“, „Kino“ oder „Einmal ist keinmal“. Das fühlte sich jedes Mal an, als hätten wir neue Songs gespielt. Total aufregend! Und der allerletzte – „Immer noch hier“ – ist erst kurz vor der Tour zusammen mit meinen Söhnen entstanden.

Haben Sie sich im Vorfeld Ihre alten Platten noch einmal angehört?

Das mache ich vor jeder Konzertsaison. Ich lasse mich gern überraschen, was sich da entdecken lässt an Schätzen. Und ich bin darüber immer wieder überrascht (lacht). Tatsächlich gibt es immer Lieder, die ich dabei ganz neu kennenlerne, oder sie mich.

Waren Sie in Ihrer Jugend ein Punk?

Ich habe mir nie die Haare bunt gefärbt, hatte auch keine Ringe in der Nase oder war mit einer Ratte unterwegs, aber ich habe diese coolen Leute gefeiert. Damals wohnte ich noch in Hagen. Dieses neue Lebensgefühl und Künstler wie Blondie, die Ramones, Iggy Pop, Ian Dury und die Pretenders sprachen mich sehr an. Dieser Sound hat mich aufgeweckt, wie etwas früher schon die Rolling Stones. Sowieso hatte früher Musik eine krasse Bedeutung, z.B. in den späten 1960ern. Ich war damals noch ein Kind, habe aber gespürt, was da abging, wie Bands mit ihren Songs Bewusstseinshorizonte knackten und den Weg freimachten für neue Ideen.

Welche Ideen waren das?

Im Grunde ging es um den Mut, etwas anderes zu wagen, alte Pfade zu verlassen. Deswegen gab es ja auch diese Vielfalt in der Musik. Die vermisse ich heute manchmal etwas. Und überhaupt eine Wildheit. Viele Künstler passen sich heutzutage an, um Erfolg zu haben. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich liebe den Erfolg. Aber Erfolg macht noch viel mehr Spaß, wenn man etwas wagt, wenn man sich wirklich heraustraut. Und das beflügelt und inspiriert dann auch andere.

Welches war Ihre erste Platte?

„Paranoid“ von Black Sabbath. Die Single habe ich mir mit zwölf Jahren von meinem Taschengeld gekauft. Ein totales Erweckungserlebnis! Kürzlich habe ich mir das gleichnamige Album noch einmal mit meinen Söhnen angehört. Das ist ja so krass! Und es hat so viel Tiefe.

Schon bei Ihrer ersten Session mit der Band „The Stripes“ sangen Sie Songs von den Ramones. Wie kam es dazu?

Ich war 16, als ich das erste Mal mit dem Gitarristen Reiner Kitzmann im Proberaum stand. Er hatte mich eines Abends in meinem Lieblingsclub in Hagen angequatscht. Einfach so, mir auf der Tanzfläche von hinten auf die Schulter getippt und gemeint: Hey, haste Lust, mit mir ne Band zu gründen? Ich hab damals dann einfach spontan Ja gesagt. Und bereits am nächsten Tag waren wir zusammen im Proberaum. Da gab es einen Verstärker mit zwei Eingängen: einer fürs Mikro, einer für die Gitarre.

Später in Berlin wohnten Sie gegenüber dem legendären Punk-Club SO36.

Ich hatte damals eine Wochenendbeziehung mit Klaus, einem sehr netten Menschen, mit dem ich auch immer noch befreundet bin. Er wohnte gegenüber vom SO36. In der Zeit meiner ersten Band war ich ein Jahr lang jedes Wochenende in Berlin. In Hagen liefen Punks vereinzelt auf der Straße herum, aber in Berlin überall. Und im SO36 spielten coole Bands wie Malaria und die Einstürzenden Neubauten. Denen war es egal, was man über sie dachte. Die machten einfach ihr Ding. Das passte irgendwie alles und hat mich sehr beeinflusst. Deswegen fühle ich mich mit dem SO36 bis heute verbunden, war da vor ein paar Jahren ja auch für einen kleinen Club-Gig, von dem es ein Live-Album gibt… Im SO36 zu spielen war ein ähnliches Gefühl wie im CBGB in New York. Im CBGBs habe ich, kurz bevor es geschlossen wurde, ein Video gedreht.

Auch die Rolling Stones hatten einen Einfluss auf Ihre Musik. Mick Jaggers Bruder Chris unterstützte Sie sogar gesanglich bei einigen Konzerten Ihrer Nichts-versäumt-Tour. Und auch dieses Jahr ist er wieder dabei.

Es war total prickelnd, Chris im Vorprogramm zu haben! Er spielt mit seiner Band Classic Blues, und ich liebe das. Und herrlich war natürlich auch, wenn ich miterlebt habe, wie Chris mit seinem Bruder Mick telefoniert hat. Mick hat mir ausrichten lassen, ich solle auf der Bühne nicht so rumspringen, das sei in meinem Alter nicht gut für die Knie (lacht). Chris ist übrigens der beste Freund des Onkels meiner Zwillinge, Oliver Tobias.

Sind Sie auch Mick Jagger mal begegnet?

Vor einem Konzert der Rolling Stones in Berlin habe ich ihm mal die Hand geschüttelt. Und mit Ron Wood habe ich mich Backstage über Zwillinge unterhalten, weil er auch welche hat. Er war total süß. Keith Richards torkelte währenddessen mit einer Whiskeyflasche von einer Garderobe in die nächste. Ich hätte nicht gedacht, dass es bei den Stones wirklich so abläuft. Vor ein paar Jahren traf ich Keith dann in Berlin in der Waldbühne wieder. Was für ein Herzensmensch!

Kriegen Sie bei Jagger und Richards weiche Knie?

…auf jeden Fall! Ich bin Stones-Fan, seit ich zwölf war. Und die dann über die Jahre immer wieder zu treffen, ist einfach abgefahren.

Interview: Olaf Neumann

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