Filmkritik „Leid und Herrlichkeit“: Innerlichkeit statt Ausschweifung

Salvador Mallo (Antonio Banderas), Copyright: STUDIOCANAL / El Deseo 2019
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In seinem wunderbar zärtlichen Film Leid und Herrlichkeit setzt sich der spanische Ausnahmeregisseur Pedro Almodóvar unverhohlen mit der eigenen Biografie auseinander.

Im Mittelpunkt des Films steht die Lebensgeschichte des alternden Filmregisseurs Salvador Mallo, der von Antonio Banderas porträtiert wird, und längst nicht nur durch die prägnante Frisur ein Selbstzitat der spanischen Filmikone ist. Immer wieder nimmt Almodóvar Bezug auf das eigene Schaffen. Der Hauptdarsteller eines seiner frühen Filme, der im Rahmen einer Retrospektive wiederaufgeführt wird, legt Salvador alte Zeitungen aus den achtziger Jahren vor, in denen er bei einem Fotoshooting in Frauenkleidern gezeigt wird. Das Spiel mit den Geschlechtern prägte schon immer das Schaffen Almodóvars, vor allem aber in den Filmen aus dieser Epoche. Gleichzeitig wird in wunderbar sentimentalen Rückblenden erzählt, wie Salvador Mallo in der Kindheit die Liebe fürs Kino entdeckt hat. Diese Szenen, die von der liebevollen Mutter Jacinta (Penélope Cruz) und dem Aufwachsen in einer höhlenartigen Wohnung in der Region um Valencia geprägt sind, wirken wie Kino in seiner reinsten und ehrlichsten Form.

Foto: Der kleine Salvador Mallo (Asier Flores), Mutter Jacinta (Penélope Cruz) und sein Vater
(Raúl Arévalo), © Studiocanal/El Deseo 2019 / Manolo Pavón
Dem Schmerz trotzen

Dass Antonio Banderas in Cannes den Darstellerpreis gewonnen hat und von vielen Seiten auch bereits als Oscar-Kandidat ins Spiel gebracht wird, ist folgerichtig. Der spanische Schauspieler mimt den von Schmerzen allen Arten geplagten Regisseur unnachahmlich. Man meint jeden Schmerz direkt mitzufühlen. Dass der frühreife und gestreng wirkende junge Salvador, der sich mit seinem Hauptdarsteller über dessen Drogenkonsum verkracht hat, nun in einer späten Lebensphase damit beginnt, Heroin zu nehmen, kommt dem Zu schauer nur konsequent vor angesichts der fühlbaren Schmerzen. Dass er die beginnende Abhängigkeit nicht zur Entfaltung kommen lässt, ist auch der Begegnung mit seiner Jugendliebe Federico (Leonardo Sbaraglia) zu verdanken. Die Ausschweifung vieler früherer Werke verbietet sich für Salvador Mallo durch die alles überlagernde Schmerzerfahrung seiner Hauptfigur. Dadurch stellt der Film aber eine wunderbare Innerlichkeit heraus, eine für Almodóvar-Verhältnisse bemerkenswerte Vertraulichkeit.

Mercedes (Nora Navas) und Salvador Mallo (Antonio Banderas), © Studiocanal / El Deseo
Großes Kino

Der preisgekrönte Filmkomponist und Almodóvar-Spezi Alberto Iglesias stellt „Leid und Herrlichkeit“ einen eleganten Soundtrack zur Seite, der unvermittelt an große Hollywood – taten der Vergangenheit denken lässt, dabei aber trotzdem durch immer wieder gesetzte Einsprengsel mit folkloristischem Liedgut dem spanischen Musikerbe verhaftet bleibt. Auch die Szenengestaltung steht in der Tradition des Werks von Almodóvar. Die Farbpalette wird von leuchtenden Farben, aber nicht mehr derart grellen Ausläufern wie in seinem Frühwerk dominiert. Viel Zeit verbringen die Protagonisten in Salvador Mallos Wohnung, die mit großformatigen Kunst wer – ken und allerhand Erinnerungsmemorabilien ausgestattet ist, von denen der Protagonist irgendwann selbst sagt, sie würden ihm in Ermangelung eines menschlichen Begleiters als Mitbewohner dienen. Doch die Einsamkeit der Schmerz – erfahrung wird überwunden. Zum Ende des Films hat der Regisseur sowohl in der fiktiven als auch in der realen Form seinen Frieden mit der eigenen Biografie gemacht.

Leid und Herrlichkeit

Regie: Pedro Almodóvar
Filmstart: 25. Juli 2019

Text: Philipp Demankowski

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