Keine Angst vor dem Pathos – Georg Baselitz-Ausstellung

links: Georg Baselitz, Der Hirte, 1965, Radierung, Kaltnadel, Aquatinta, 44 x 32,7 cm, Stiftung Günther und Annemarie Gercken, © Georg Baselitz 2017: rechts:Georg Baselitz, Partisan, 1966, Farbholzschnitt von 3 Stöcken, 42 x 35 cm, Stiftung Günther und Annemarie Gercken, © Georg Baselitz 2017, Foto: Andreas Diesend
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Das Kupferstich-Kabinett bringt grafische Arbeiten von Georg Baselitz in den Dialog mit Meisterwerken des Manierismus.

Georg Baselitz hat die Bedeutung von Kunstwerken stets primär in Abhängigkeit von anderen Kunstwerken  unterschiedlichster Epochen bewertet. Der Realitätsbezug spielt bei der Entstehung dagegen eine untergeordnete Rolle, so die Meinung des Künstlers. Besondere Bewunderung empfand Baselitz seit jeher für die Druckgraphik des Manierismus. Die Künstler der Epoche, die zwischen Renaissance und Barock pendelt, bekannten sich ausdrücklich zu einem überladenen Stil und auch zum Pathos. Noch heute spricht man umgangssprachlich vom Manierismus, wenn man eine gekünstelte, schwülstige Ausdrucksform kennzeichnen will. In den kunstgeschichtlichen Kanon gelangte das Wort durch den Maler und Schriftsteller Giorgio Vasari, der den Terminus „maniera moderna“ für den späten Michelangelo verwandte. Manierismus als Epochenbegriff prägte aber erst der Kunsthistoriker Jacob Burckhardt im 19. Jahrhundert, wenn auch in abschätziger Weise.

Quell der Inspiration

Rom und Florenz sind die Zentren des Manierismus, doch Spuren finden sich in ganz Europa, vor allem in Frankreich und den Niederlanden. In der Region Dresden findet man etwa im kurfürstlichen Berg- und Lusthaus Hoflößnitz in Radebeul einen unversehrt erhaltenen Innenraum vor, der an der stilistischen Grenze zwischen Manierismus und frühem Barock einzuordnen ist. Auch in Georg Baselitz‘ Werken ist die Beschäftigung mit dem Manierismus immer wieder zu entdecken, so etwa in seinen „Helden“. Die Ausstellung „Maniera Baselitz – Das Nonkonforme als Quelle der Phantasie“ zeigt nun, wie sich Georg Baselitz zu Beginn der 1960er Jahre bewusst von der ungegenständlichen abstrakten Malerei abgrenzte. Nicht nur mit den gewählten Bildthemen stellte er sich gegen den damals vorherrschenden künstlerischen Zeitgeist, auch hinsichtlich der von ihm bevorzugten klassischen druckgrafischen Techniken ging er eigene Wege: Während in den 1960er Jahren mit Sieb- und Offsetdruck in hohen Auflagen eine neue Ära in der Reproduktionsgrafik begann, lehnte Baselitz solche Massen vervielfältigung aufgrund der mangelnden Originalität ab.

Ständige Ausdifferenzierung

Stattdessen experimentierte er mit Zustandsdrucken und produzierte kleinere Auflagen, die er mitunter nach dem Abzug noch individuell bearbeitete. Mit diesem kreativen Beharren hat Baselitz die traditionellen druckgrafischen Techniken für die zeitgenössische Kunst wieder ins Bewusstsein gebracht, sie wesentlich erneuert und dabei zu einer ganz eigenen, persönlichen Ästhetik gefunden – einer „Maniera Baselitz“, die er bis in die Gegenwart hinein ständig weiter ausdifferenziert und perfektioniert. Die Ausstellung setzt sich zusammen aus den Beständen des Dresdner Kupferstich-Kabinetts, der Stiftung G. und A. Gercken sowie aus der Staatlichen Graphischen Sammlung München.

Maniera Baselitz – Das Nonkonforme als Quelle der Phantasie

noch bis zum 27. Mai 2018
Kupferstich-Kabinett, Dresden
www.skd.museum

Text: Philipp Demankowski

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