Lieblingsdings: Tom Pauls über „Seine Lene“

Sächsische Mundart vom Feinsten – Tom Pauls, Foto: Marko Förster
0

Tom Pauls alias Ilse Bähnert und sein besonderes Verhältnis zur sächsischen Mundartdichterin Lene Voigt.

Die Figur der Ilse Bähnert ist Tom Pauls quasi in Fleisch und Blut übergegangen. Immer neckend und manchmal auch etwas provokant spielt er seine sächsische Lieblingsfigur nun schon seit den 90ern als Paraderolle. Dass das sächsische Urgestein Ilse Bähnert jedoch eine lebende Vorlage hat, wissen die wenigsten. Tom Pauls hat der sächsischen Mundartdichterin Lene Voigt ein Buch gewidmet, das letztes Jahr erschienen ist. Im Interview mit dem Top Magazin Dresden spricht Tom Pauls über seine Faszination für Lene Voigt und ihr Vermögen, tief in die  sächsische Seele hineinzublicken.

Tom Pauls erfuhr die Skepsis gegenüber dem heimischen Dialekt bereits, als er im Deutschunterricht Lene Voigts Version des „Erlkönigs“ vortrug. Nicht nur den „Erlkönig“ versah die Leipzigerin mit ihren sächsischen Reimen, auch andere Klassiker wie der „Zauberlehrling“ („Dor Zauwerlährling“) oder „Die Räuber“ („De Reiwr“) wurden von ihr bearbeitet. Gemeinsam mit Journalist und Autor Peter Ufer setzte Tom Pauls dem sächsischen Original nun ein Denkmal. „Meine Lene“ ist die erste Biografie über die Dichterin, die Zeit ihres Lebens mit Schicksalsschlägen zu kämpfen hatte. Der Sohn starb mit fünf Jahren, die Ehe mit dem Kindsvater scheiterte und auch der zweite Partner starb früh. Immer wieder musste sie sich mit Psychosen auseinandersetzen bis schließlich Schizophrenie diagnostiziert wurde. Am Schreibtisch aber behielt sie ihre frohe Natur, für die sie die Sachsen schätzen.

Warum war es Ihnen ein Bedürfnis, über Lene Voigt ein Buch zu schreiben?

Weil ich dieser wunderbaren und doch so geplagten Frau sehr viel verdanke. Nicht nur die Figur der Ilse Bähnert, sondern auch die Betrachtung der sächsischen Seele generell. Ich bin der Meinung, dass Lene Voigt wie niemand sonst die spezifische Wesensart der Sachsen in ihrem Werk ausgedrückt hat. Ich wurde im Laufe meiner Künstlerkarriere immer wieder gefragt, wie denn die Sachsen zu fassen sind. Das hat mich dazu bewogen, ihre Texte zur Hand zur nehmen, um Figuren zu erschaffen, die zwar in unserer Zeit existieren, deren Grundcharakteristika aber schon im Werk Lene Voigts angelegt waren. Ich habe ihr den Erfolg meiner Programme in Sachsen und eine große Popularität zu verdanken. Deshalb hatte ich den unbedingten Willen verspürt, ihr ein Denkmal zu setzen. Es musste sein. Es war mir ein Herzensbedürfnis.

Denken Sie, dass es Lene Voigt zu Lebzeiten tatsächlich ein Anliegen war, dieser sächsischen Seele auf den Grund zu gehen?

Ja, das denke ich schon. Wenn man ihre Texte liest, wird man dafür genügend Belege finden. Sie hat zu allem, was uns Sachsen umgibt, geschrieben. Auch wenn es nur die kleinsten Alltagsbegebenheiten sind. Und das auf unverwechselbare Art und Weise. Natürlich ist sie berühmt geworden durch ihre Parodien auf die deutschen Klassiker und Balladen. Aber auch ihre Miniaturen, ihre Gedichte und ihre Prosa sprechen den Sachsen aus der Seele, insbesondere den Leipziger Sachsen.

Kabarettist Tom Pauls mit seinem Buch „ Meine Lene – Eine Liebeserklärung an die Dichterin Lene Voigt “.
Foto: Daniel Förster

Hat Lene Voigt eine typische sächsische Biografie im 20. Jahrhundert gelebt?

Auch wenn sie natürlich ein spezielles Leben gelebt hat, ist es doch repräsentativ für die Sachsen. Das wird beispielsweise deutlich in den Begegnungen mit Arbeitslosigkeit, mit Klassenkampf, aber auch mit Armut und Elend. Ihr künstlerisches Leben war ja von Verboten und Verleumdung geprägt, die wiederum unmittelbar mit den großen Zäsuren des 20. Jahrhunderts in Verbindung stehen. Für mich gehört aber auch die Begeisterung für Literatur dazu, die in der Buchstadt Leipzig bei vielen Menschen zu finden war und ist.

Wie sind Sie bei der Recherche vorgegangen? Welches Quellenmaterial haben Sie benutzt?

Ich bin ja Mitglied der Lene-Voigt-Gesellschaft, einem Verein, der alle Primärtexte und Quellen zu ihrem Leben aufgearbeitet hat. Es gab bereits mehrere Versuche, eine Biografie zu schreiben. Insbesondere durch die Connewitzer Verlagsbuchhandlung, wo auch ihr Gesamtwerk in mehreren Bänden erschienen ist. Deshalb war ein großer Bestand an Quellen schon vorhanden. Vor allem den Autoren und Forschern Monika und Wolfgang U. Schütte ist es zu verdanken, dass wir das gesamte vorhandene Material sichten konnten. Aber wir sind auch auf die Suche nach zusätzlichem Material gegangen. Dabei sind wir unter anderem auf eine Krankenakte von 1936 gestoßen. Diese war von einem der behandelnden Ärzte in Sütterlin verfasst und musste folglich erst einmal übersetzt werden, was aber dank der Unterstützung aus unserem Netzwerk wunderbar geklappt hat. Dazu haben wir mit Ärzten über ihr Krankheitsbild, die Schizophrenie, gesprochen.

Seit der Veröffentlichung sind nun einige Monate vergangen. Wie schätzen Sie die Reaktion des Publikums ein?

Wir merken vor allem bei den Lesungen, wie aufmerksam die Zuhörer sind. Es gibt Passagen, da leiden die Menschen richtig mit, bei anderen wiederum schmunzeln und lachen sie. Auch die Kritiken, die bis jetzt erschienen sind, bestätigen uns darin, mit dem Buch den richtigen Weg gegangen zu sein. Peter Ufer und ich sind sehr zufrieden mit den Reaktionen.

Inwiefern spricht die Lebensgeschichte von Lene Voigt ein Publikum außerhalb Sachsens an?

Das ist schwierig, weil Lene Voigt so stark in der sächsischen Geschichte verankert ist und natürlich den sächsischen Dialekt als Merkmal in ihren Texten regelrecht kultiviert hat. Aller dings sind über die Hälfte alle Texte von Lene Voigt in hochdeutsch verfasst. Ihre literarische Qualität hat durchaus Chancen, auch außerhalb der sächsischen Landes grenzen Gefallen zu finden. Das größte Publikum ist natürlich in Sachsen, vor allem in der Messestadt Leipzig.

Lene Voigt gilt als größte sächsische Mundartdichterin. Auch Sie machen sich immer wieder für den Stellenwert der
sächsischen Mundart stark. Warum?

Weil jede Mundart ein Kulturzustand eines Volkes ist. Das heißt, dass sich die Bewohner eines Kulturkreises in besonderem Maße mit Sprache identifizieren, genauso wie mit Liedern, Trachten und Brauchtum. Das Aus sterben einer einer Mundart ist schädlich für die Identität eines Volksstamms.

Interview: Philipp Demankowski

Sie interessieren Sich möglichweise auch für:

X