HERR DER DIEBE im Schauspielhaus

Herr der Diebe von Cornelia Funke in einer Bühnenfassung von Brigitte Helbling / Foto: Sebastian Hoppe
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Grandioses Familientheater am Staatsschauspiel Dresden: Herr der Diebe von Cornelia Funke in einer Bühnenfassung von Brigitte Helbling

Der Grundidee des 400 Seiten starken Romans Herr der Diebe von Cornelia Funke (erschienen im Jahr 2000, sehr empfehlenswert für Kinder von etwa sieben Jahren an) liegt ein häufiger Kind­heits­­wunsch zugrunde: Schneller groß und erwachsen zu werden, von anderen gleichwertig ernst genommen und frei in den Ent­schei­dungen. Dem entgegen steht die Sehnsucht vieler Er­wachse­ner, das Rad der Zeit zurückdrehen zu wollen, um nochmals jung zu sein.

Um diese Schlüssel­gedanken herum gestrickt ist eine ereignisreiche Story um zwei elternlose Brüder auf der Flucht vor ihrer ungeliebten Tante durch das spätherbstliche Venedig. Sie finden Unterschlupf im Sternenversteck einer Gruppe von Kindern und deren Anführer, der sich selbst „Herr der Diebe” nennt.

v.l: Die Brüder Bo (Tillmann Eckardt) und Prosper (Paul Wilms) in den Gassen Venedigs / Foto: Sebastian Hoppe

Wichtige Charaktere der Geschichte sind weiterhin der Privat­detektiv Victor, ein Conte ge­nann­ter Auf­traggeber für den Dieb­stahl eines hölzernen Flügels, dessen Be­sitze­rin Ida, die zur Freundin der Kinder wird, sowie ein reicher, aber herzloser Vater.

Ein leerstehendes Kino als Versteck, die Gassen Venedigs um den Markusplatz, die Kanäle und eine Insel in der Lagune mit einem geheimnisvollen Karussel, das besondere Wünsche zu erfüllen vermag, sind die Orte des Geschehens.

All dies ist sowohl im Roman als auch in der für die Bühne verdichteten Herr der Diebe-Fassung von Brigitte Helbling sehr stimmig verwoben und nicht nur für Kinder und jugend­liche Theater­besucher spannend: Ein gemeinsamer Pre­mieren­­besuch mit dem (fast) achtjährigen Nachwuchs bot für Sohn und Vater allerbeste Unter­haltung.

v.l.: Mosca (Daniel Séjourné), Bo (Tillmann Eckardt), Wespe (Marina Poltmann), Prosper (Paul Wilms), Ida Spovento (Nadja Stübiger) und Ricchio (Lucas Lentes) / Foto: Sebastian Hoppe

Unter der Regie von Niklas Helbling und dem detailreichen Bühnenbild von Alain Rappaport, welches Venedig in wechselnden Ansichten sehr liebevoll gestalteter Kulissen zeigt, der Kniff dabei ist eine drehbare Bühne, ist die große Spiel­freude der Schauspieler spürbar. Alle überzeugen: Als Brüder Paul Wilms (Prosper) und Tillmann Eckardt (Bo), als Kin­derbande Emil Borgeest (Scipio), Marina Poltmann (Wespe), Lucas Lentes (Riccio) und Daniel Séjourné (Mosca), aber auch Klaus Frenzel (Conte) auf der Jagd nach der eigenen Jugend, Moritz Dürr als Detektiv (Victor Getz), Nadja Stübiger (Ida Spavento) als Freun­din und Unter­stützerin der Kinder und Angela Schlabinger (Esther) als herzlose Tante. In einer Vielzahl kleiner Rollen, ob als Tourist, Nonne, Kellner, Scipios Vater oder Pudel herausragend ist Philipp Lux.

Der Höhepunkt derHerr der Diebe-Aufführung für den bald achtjährigen Theaterbesucher war der Ritt Scipios auf dem sich immer schneller drehenden Karussel, das schließlich mit Blitz und lautem Knall explodiert und Scipio als erwachsenen Mann zurücklässt. Wespes Rettung aus dem Waisenhaus blieb ebenso gern in Erinnerung wie die Verkleidungen des Detektivs. Die Verfolgung des Conte mit dem Boot durch die Kanäle Venedigs – wirkungsvoll inszeniert im dämmrigen Licht mit waberndem Nebel – begeis­terten sowohl den jungen als auch den älteren Zuschauer. Stimmig eingefügt sind Video­ein­blen­dungen (Video: Elke Auer) bei der Verfolgung, und überhaupt die vielen kleinen Details, von der Taube bis zur Projektion des mit dem Schwanz winkenden Markus­löwen. Die Gesangs­künste der Schauspieler sollen an dieser Stelle ebenso wenig unerwähnt bleiben wie das Programmheft mit einer Bastelvorlage, auch dies ein großer Spaß für Kinder.

Einen Besuch des Stücks Herr der Diebe möchten wir Ihnen uneingeschränkt empfehlen. Die Kenntnis des Romans ist dabei hilfreich, aber keinesfalls Bedingung.

Herr der Diebe
von Cornelia Funke in einer Bühnenfassung von Brigitte Helbling
empfohlen ab 8 Jahre, Dauer der Aufführung: ca. 2 Stunden und 10 Minuten. Eine Pause. Schauspielhaus, Theaterstraße 2, 01067 Dresden
Termine, Karten etc. unter www.staatsschauspiel-dresden.de

Text: Jörg Fehlisch

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