Kolumne Recht: Reifen adé, scheiden tut weh.

Marion Kenklies
Foto: © Henriette Braun Fotowerkstatt

Gewährleistungskosten beim Kaufvertrag, Hinweis auf neue Gesetzgebung.

Entsetzt steht Herr Weber vor seinem Geschäftswagen. Zwei Reifen sind platt. Dabei hatte der Tag so erfolgreich angefangen. Ein Kunde, mit dem er schon lange in Verhandlungen war, hatte gerade unterschrieben. Da kommt er gut gelaunt aus dem Firmengebäude und jetzt das. Zum Glück dauert es nicht lange, bis das Abschleppfahrzeug da ist. Ungeduldig wartet er in der Werkstatt, dass er wieder fahren kann. Als der Meister berichtet, warum die Reifen platt sind, ist Herr Weber entsetzt. Die Reifen stammen aus einer Serie, in der bei der Produktion etwas schief gegangen ist. Gestern sei die Warnung des Herstellers gekommen. „Da können Sie froh sein, dass Sie nicht mit 200 km/h auf der Auto­bahn waren. Dann hätte das anders ausgehen können“, erklärt der Meister und übergibt ihm die Rechnung fürs Abschleppen und vier neue Reifen. Voll Ärger fährt Herr Weber direkt zu seinem Reifenhändler Anton. Mit entsprechenden Elan legt er Anton die Rechnung auf den Tresen und fragt, warum er keinen Warnhinweis bekommen habe. Das sei lebensgefährlich. Anton zuckt mit den Schultern. Er verstehe den Ärger. Er habe die Mitteilung des Herstellers soeben erhalten und sei dabei, alle Kunden zu informieren. Herr Weber habe halt Pech gehabt, dass seine Reifen heute Morgen kaputt gegangen seien. „Dass Sie meinen Ärger verstehen, nützt mir nichts. Ich möchte die Abschleppkosten und die neuen Reifen erstattet bekommen.“ Herr Anton wirft einen Blick auf die Rechnung und meint: „Die Reifen haben Sie ganz schön teuer gekauft. Bei mir wären sie über 200€ billiger gewesen. Aus Kulanz­grün­den erstatte ich Ihnen den höheren Preis. Die Abschlepp­kosten zahle ich nicht“. Herr Weber traut seinen Ohren kaum. „Aber Sie haben mir doch die kaputten Reifen verkauft!“ Anton winkt ab. Er habe nicht von dem Produktionsfehler gewusst. Er sei jetzt schon auf Herrn Weber zugegangen wegen der Kosten der Reifen. Die Freude über den guten Geschäftsabschluss ist völlig dahin. Schlecht gelaunt kommt Herr Weber zurück ins Büro. Dort trifft er seine Tochter Eva, die in den Semesterferien bei ihm arbeitet. Aufgebracht erzählt er, was ihm passiert ist. „Da weigert sich Anton doch tatsächlich, mir die Abschleppkosten zu ersetzen. Den verklag ich.“ Eva, die Jura studiert, schaut ihren Vater an. „Papa, in diesem Fall hast du Pech gehabt. Im BGB steht zwar, dass der Verkäufer die Kosten der Gewähr­leistung tragen muss. Das gilt aber nur dann, wenn der Käufer ein Verbraucher ist. Bei meinem Auto hätte Anton die Ab­schleppkosten zahlen müssen.“ Fassungslos wirft Herr Weber einen Blick auf § 439 Abs.2 BGB. „Da steht nichts von Ver­braucher.“ Seine Tochter lacht: „Ja Papa, im Gesetz steht da­von nichts. Das hat die Rechtsprechung so entschieden. Bis Ende des Jahres bleibt das so. Nächstes Jahr gibt es eine Gesetzesänderung.“ Herr Weber lächelt seine Tochter an. „Wie gut, dass du Jura studierst. So hab ich die Kosten für den Anwalt und eine Menge Ärger gespart. Dafür lade ich Dich zum Essen ein.“

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Marion Kenklies

 

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