Aktion „Engel können fliegen“ erstmals in Ostdeutschland
Flugtag für Kinder und Jugendliche mit geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen auf dem Flugplatz in Kamenz.
Die Welt von oben zu sehen, fasziniert viele Menschen. Freiheit und Mut sind damit verbunden. Aber nicht alle können sich den Traum vom Fliegen erfüllen. Deshalb initiierte der Hobbyflieger Sven Ulbrich aus Rheinland-Pfalz die Aktion „Engel können fliegen“ für Kinder und Jugendliche mit geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen. Antje Dreßler aus dem Landkreis Bautzen organisierte den ersten Flugtag in Sachsen. Viele Unterstützer und ehrenamtlich Helfende trugen zum Erfolg der Veranstaltung am 24. Mai 2025 in Kamenz bei.
Leon und Florian tragen ein rotes T-Shirt mit der Aufschrift „Adrenalin“. Das scheinen die beiden im Blut zu haben, während sie am Flugfeld auf den Einstieg ins Flugzeug warten und von einem Bein auf das andere hüpfen. „HI-05“ steht auf dem Namensaufkleber. „Flieger sind per du, daher schreiben wir die Vornamen auf. Die Nummer richtet sich nach der Flugzeugkennung“, erklärt Anne. Sie ist selbst Mutter eines Kindes mit Beeinträchtigungen und hilft heute ehrenamtlich am Check-in. 120 Kinder und Jugendliche mit geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen mit je einer Begleitperson haben sich zum Erlebnistag am Flugplatz Kamenz angemeldet. „Da ist Konzentration und Ruhe bewahren angesagt, damit jedes Kind in einen geeigneten Flieger eingeteilt wird“, schmunzelt die Schulbegleiterin.

Anne ist eine von 40 ehrenamtlich Helfenden, die die von Hobby-Flieger und Fluglehrer Sven Ulbrich aus Rheinland-Pfalz 2021 initiierte Aktion „Engel können fliegen“ in Kamenz unterstützen. Zum ersten Mal nach Ostdeutschland geholt und auf dem Flugplatz Kamenz organisiert hat den Erlebnistag die Wachauerin Antje Dreßler. „Es ist mir ein Herzensbedürfnis“, sagt sie. Und schon wird die Projektleiterin wieder gerufen.
Die Beigeordnete Dr. Romy Reinisch besucht als Vertreterin des Bautzener Landrats Udo Witschas die Aktion und begleitet auf Bitten eines Kindes einen der ersten Flüge. Der Landrat hatte die Schirmherrschaft übernommen, weil „dieses Projekt Kindern und Jugendlichen mit Beeinträchtigungen nicht nur einen unvergesslichen Tag schenkt, sondern auch ein Gefühl von Freiheit, Leichtigkeit und vor allem Wertschätzung.“

16.000 bis 18.000 Euro kostet so ein Flugtag mindestens, verrät Initiator Sven Ulbrich. Die ehrenamtliche Arbeit nicht eingerechnet. Allein 150 Euro entfallen auf einen Sitzplatz im Flugzeug. Ein halbstündiger Rundflug, Betreuung und Verpflegung sind für die Gäste des Erlebnistages kostenlos. Der größte Teil konnte durch Spenden- und Sponsorengelder eingeworben werden. Ohne das Engagement des Flugplatzes Kamenz, auf dem übrigens vor 114 Jahren der erste Flieger abhob, der Flugservice Bautzen GmbH, der Lionsclubs Radeberg und Königsbrück sowie vieler anderer Unterstützer hätte der Erlebnistag nicht verwirklicht werden können. „Sollte am Flugtagende ein Defizit in der Kasse klaffen, wird das unsere Stiftung ‚Bienenelfe‘ übernehmen“, versprach der Initiator.
Vor dem Flugfeld bekommen die Fluggäste ein Adrenalin-T-Shirt und erste Instruktionen. Ein- und Ausstieghilfe in und aus den Flugzeugen geben Mitarbeitende der Firma Meditech Sachsen. Philipp ist Reha-Techniker für Kinder, Franzi examinierte Altenpflegerin und Wundschwester. „Wir machen das gern in unserer Freizeit“, sagen beide wie aus einem Mund. Für den Fall, dass jemand Angst bekommen sollte, würden die Piloten Start oder Rundflug abbrechen und sofort zurückkehren. Die Befürchtungen treten nicht ein. Im Gegenteil. Während manchen erwachsenen Begleitpersonen etwas mulmig wird, kann man Kinder auf der Eventfläche tanzen oder zum Rhythmus des DJ wippen und stolz ihre Medaillen „Ich bin mitgeflogen“ zeigen sehen.
Die 46-jährige Jaqueline aus Radeberg ist überwältigt, als sie nach ihrem ersten Flug im Leben aus dem Flugzeug zurück in ihren Rollstuhl gehoben wird: „So cool, so cool, es war so cool!“ Ihr achtjähriger Sohn Finn drückt seine Mutter und freut sich still.

Auf zur Feldküche, wo Suppen und Grießbrei mit Apfelmus warten. Oder doch lieber Bratwurst? Oder Grillkäse? Schokopudding? Kaffee? Limonade? Es ist an alles gedacht. „Darf es ein Stück Kuchen sein?“ Das verlockende Angebot kommt von Mandy Kröger am Bäckerstand. Im wahren Leben arbeitet die 44-jährige gelernte Köchin als Pflegehelferin in einer Intensivpflegeeinrichtung in Großröhrsdorf. „Um hier dabei sein zu können, habe ich extra meinen Dienst getauscht“, erzählt sie und sagt: „Wenn ich die glücklichen Gesichter sehe, ist es mir das wert.“ Nebenan kann progressmedia-Geschäftsführer Roland Hess kaum die Kelle aus der Hand legen. Kartoffelsuppe ist heute der Renner.

Nach der ruhebedingten Mittagsflugpause strömen weitere Fluggäste zum Check-in. Domenik mit seinen Eltern Eric und Katja, Moritz mit seinem Opa Dirk und viele, viele andere. Ein Blick in die Gesichter zeigt: Dieser Erlebnisflugtag ist ein voller Erfolg für alle Beteiligten.
Redaktion: Dagmar Möbius