Filmkritik „Contra“: Die kleinen Rassismen

Foto: © 2020 Constantin Film Verleih GmbH
0
Sönke Wortmann macht mit seiner Culture Clash-Komödie „Contra“ Werbung für die Kunst der Rhetorik, kann die Probleme des Genres aber nicht lösen.

Neu-Jura-Studentin Naima Hamid (Nilam Farooq) kommt zu spät zur Vorlesung und wird von Professor Dr. Richard Pohl (Christoph Maria Herbst) vor versammelter Mannschaft im Hörsaal rundgemacht. Pohl schreckt bei der Beschimpfung auch vor Rassismen und Vorurteilen nicht zu rück, die definitiv nicht unproblematisch sind und die weit über das übliche (natürlich trotzdem zu verurteilende) Maß an Alltagsrassismen hinausgehen. Pech für ihn, dass er sich mit Social Media und Co mal so gar nicht auskennt und unterschätzt, dass das prompt gefilmte Video seiner Schmährede im Netz landet und einen kleinen Shitstorm nach sich zieht. Als Wiedergutmachung muss er nun mit Naima zusammenarbeiten und sie auf den bundesweiten Debattier-Wettbewerb vorbereiten. Soweit die Ausgangs – lange und das Grundrezept für eine Culture Clash-Komödie, wie sie vor allem in Frankreich beliebt ist.

Foto: © 2020 Constantin Film Verleih GmbH
Gut verdauliche Sozialkritik

Und tatsächlich kommt auch die Vorlage aus dem Land, in dem die Unterschiede zwischen den Kulturen und die daraus resultierenden sozialen Ungleichheiten zwar existent, aber doch immer auch für Lacher gut sind. „Le Brio“ heißt das französische Vorbild für „Contra“. Gleichwohl kann auch die deutsche Variante die systemischen Grundprobleme des Genres nicht entkräften. Hier wird gut verdauliche Sozialkritik geübt, die zum Amüsement taugt, deren Konflikte aber höchstens angedeutet werden und spätestens nach der unvermeidlichen Annäherung seiner Hauptcharaktere schon wieder vergessen sind. Es fällt wirklich nicht unbedingt leicht, die unausweichliche Genese des Professors vom Saulus zum Paulus nachzuvollziehen, zumal schließlich behauptet wird, dass der Paulus ohnehin nur Fassade war. Das ist ärgerlich, auch wenn dem Professor eine Motivation für seinen fremdenfeindlich geprägten Sarkasmus mitgegeben wird.

Foto: © 2020 Constantin Film Verleih GmbH
Die Kunst der richtigen Worte

Regieurgestein Sönke Wortmann gibt sich handwerklich keine Blöße. So vergehen die zwei Stunden wie im Flug, wobei es vor allem die Nebendarsteller sind, die den Film sehenswert machen. Naimas Freund Mo (Hassan Akkouch) und dem Rest der Clique beim Werwolfspielen auf dem Spielplatz zu zuschauen, macht jedenfalls sehr viel Spaß. Richtig gut ist der Film auch dann, wenn es um Rhetorik geht. Wenn sich Naima und Richard Wortgefechte liefern oder wenn Naima beim De bat tier-Wettbewerb den Islam als friedliebende Religion kennzeichnet, dann nehmen die Zuschauer genug Futter mit für die nächste drohende Diskussion im Freundeskreis oder der Familie. Mögen die Rhetorik-Tipps für Profis zum Grundwissen gehören, so sind sie für die meisten von uns wohl doch hilfreich. Schließlich sind die wenigsten unserer Mitmenschen so geschickt in der Kunst, die richtigen Worte zu wählen. Das beweist der Alltag.

Contra

Regie: Sönke Wortmann
Kinostart: 23. Dezember 2020 (verschoben auf unbestimmte Zeit)

Text: Philipp Demankowski

Sie interessieren Sich möglichweise auch für:

X