Helden der Zustellung

Es gibt neben den Medizinern und den Pflegekräften wohl kaum eine Branche, die so sehr von den Begleitumständen der Corona-Krise gefordert war, wie die Paketzusteller.

Können sich die Mitarbeiter im DHL Paketzentrum in Otten­dorf-Okrilla schon unter normalen Umständen nicht über zu wenig Beschäftigung beschweren, hat sich das Arbeits­auf­kom­men während der Corona-Krise nochmals erheblich gesteigert. Da die Geschäfte schließen und die Menschen zuhause bleiben mussten, boomte der Online-Handel. Marion Oppermann er­zählt im Interview von einer anstrengenden Zeit, die nur in einem funktionierenden Team bewältigt werden konnte. Die Nieder­las­sungsleiterin zeigt sich äußerst dankbar darüber, dass ihre Mitarbeiter die Strapazen mit großem Einsatz gemeistert haben.

Marion Oppermann, Niederlassungsleiterin Deutsche Post AG in Dresden / Foto: © Siegfried Michael Wagner

Mit welchen Maßnahmen haben Sie am Standort die Corona-Verordnungen umgesetzt?
Marion Oppermann: Wir haben mit der Gesundheits­manage­rin Bianka Frenzel eine Pandemiebeauftragte installiert, die mit ihrem Organisationstalent erheblich dazu beitrug, dass die Belegschaft stets über ein ausreichendes Kontingent an Mas­ken und Desinfektionsmitteln verfügte. Zudem wurde jedes Zu­stell­fahrzeug mit einem Wasserkanister und Seife ausgestattet. Das war wirklich eine logistische Meister­leis­tung. Immer­hin haben wir 4.000 Mitarbeiter. Nicht nur hier im Paket­zen­trum in Ottendorf-Okrilla, sondern auch an 80 Außenstellen in einem Verbreitungsgebiet, das sich von Dresden über Bautzen bis nach Cottbus erstreckt. Generell fahren wir eine stringente Hygiene-Strategie mit strikten Abstandsgeboten. Dabei stimmen wir uns stets mit dem Betriebsrat ab, der bei uns im Unternehmen traditionell eine große Bedeutung hat. Auch heute noch gibt es jeden Morgen bis 8 Uhr eine Lage­be­sprechung, bei der geklärt wird, ob es Corona-Verdachtsfälle gibt und wie damit umgegangen wird.

Foto: © Deutsche Post

Wie ist die Belegschaft mit der Mehrbelastung umgegangen?
Absolut vorbildlich. Die Post ist ohnehin eine große Familie. Das merkt man schon an der Tatsache, dass es kaum Fluktuation in der Belegschaft gibt. Nicht umsonst wird die Deutsche Post DHL regelmäßig zum besten Arbeit­geber gewählt. Das verbindet uns überregional. Auch in den unterschlichen Leitregionen in Dresden, Bautzen und Cottbus, in denen es natürlich andere Mentalitäten gibt, haben wir den gemeinsamen Nenner, dass wir immer für unsere Kunden da sind. Diese Einstellung ist auch nötig. Inzwischen ist wieder etwas Normalität eingekehrt, aber während des Lockdowns waren wir wirklich sehr stark gefordert. Nur um mal eine Zahl zu nennen: Wir hatten am stärksten Tag bundesweit über 9 Mil­lionen Pakete im Netz. Normal sind 5 bis 6 Millionen.

Wie ist diese Steigerung zu erklären?
Da der Einzelhandel geschlossen war, haben sich viele Kunden zum ersten Mal überhaupt mit den Grundlagen des Online-Handels vertraut gemacht. Das wird auch nicht schlagartig wieder weniger werden. Denn die Kon­su­menten haben festgestellt, dass das Prinzip funktioniert und ihre Bestellungen auch ankommen. Hinzu kamen die vielen Sonderfahrten für kleine und mittlere Unternehmen in der Region, die mangels Absatzalternativen einen Online-Shop aufgebaut haben. Es waren wirklich zweieinhalb sehr anstrengende Monate. Langsam normalisiert sich das Arbeits­auf­kom­men, aber wir liegen jetzt Mitte Juni immer noch bei 10 bis 15 Prozent mehr Zustellungsaufträgen im Vergleich zum Vorjahr.

Konnten Sie trotzdem termingerecht liefern?
Es ist uns gelungen, bis auf wenige Aus­nahmen, Verzögerungen in der Lieferung zu vermeiden. Obwohl wir unsere über 100 Kollegen aus Tschechien und Po­len aufgrund der Grenzschließungen nicht mehr einsetzen konnten. Da mussten wir auch mal unbürokratisch Ersatz besorgen. So sind beispielsweise die Kollegen aus der Verwal­tung eingesprungen. Auch ich habe mal an der Wechselbrücke ausgeholfen und kann nun besser beurteilen, was für eine Leis­tung die Mitarbeiter da jeden Tag bewältigen müssen. Diese Pakete können schließlich bis zu 31,5 kg schwer sein. Was mich auch freut, ist, dass unser Krankenstand nicht ge­stiegen ist. Einige Mitarbeiter haben sogar noch in der Nieder­lassung in Berlin ausgeholfen. Das war eine Team­leistung. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ein großes Dankeschön an alle unsere Kollegen aussprechen.

Gab es auch Bereiche, in denen die Aufträge gesunken sind?
Die Dialogpost ist stark zurückgegangen. Das ist nachvollziehbar, denn wer verschickt noch Werbe­mit­tel, wenn er keine Absatzmöglichkeiten hat? Auch hier ist ein Normalisierungstrend eingetreten, aber es ist abzusehen, dass der Stand von vor Corona nicht wieder erreicht wird.

Hielt die Infrastruktur hier am Paketzentrum in Otten­dorf-Okrilla den Belastungen stand?
Wir können theoretisch 32.000 Sendun­gen pro Stunde bearbeiten. Zudem haben wir schon vor Corona auf den Dreischichtbetrieb umgestellt, nachdem wir entschieden haben, auch die Retourensendungen bei uns zu bearbeiten. Natürlich liegen wir mit unserem Zentrum sehr weit im Osten Deutschlands. Das ist nicht immer ideal, denn Sen­dun­gen, die bei uns aufgegeben werden, müssen dadurch einen weiten Weg hinter sich bringen, bevor sie am Bestimmungsort ankommen. Die Empfänger wollen ihre Bestellungen ja schnell erhalten. Zum Glück sind wir gut vernetzt mit den anderen Paketzentren in Deutschland. Und wenn die Kapa­zitäts­grenzen einmal erreicht sind, helfen wir uns untereinander aus.

Was nehmen Sie mit aus dieser Zeit?
Was mich sehr freut ist, dass die generelle Wertschätzung für die Arbeit der Zusteller gestiegen ist. Das hat dazu beigetragen, dass sich ein neues Selbstbewusstsein entwickelt hat. Die Kollegen sind stolz darauf, Postler zu sein. Das macht sich dann letztendlich auch in der Qualität der Arbeit bemerkbar. Viele Kunden haben ihre Anerkennung übrigens auch durch kleine Geschenke oder Dankesbriefe für die Kol­legen zum Ausdruck gebracht. Das ist immer eine schöne Geste, über die wir uns sehr freuen.

Interview: Philipp Demankowski

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