Ausdrucksstarker Zweifler

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Zum 150. Geburtstag von Ernst Barlach findet im Albertinum die erste umfangreiche Retrospektive zum Werk des Bildhauers in Dresden statt.

Er war ein Pendler zwischen Realismus und Expressionismus. Mit seinen Skulpturen versuchte Ernst Barlach (1870–1938) das unverfälschte Wesen seiner Motive abzubilden, während sich viele seiner Zeitgenossen exotischeren Unter – suchungsgegenständen zuwandten oder abstraktere Gestaltungsmethoden bedienten. Die Modelle, die der Arztsohn abbildete, stammten oft aus prekären Milieus. Bauern und Bettler wurden in reflektierter Pose dargestellt. Ihre Lebenswelten wurden dabei wirklichkeitsgetreu dargestellt. Oft dominierte der Zweifel, die Suche nach Spiritualität, in einer Welt, die den Humanismus bedroht sah. Ein Ansatz, der ihm auch Kritik einbrachte. So warf ihm etwa der Leipziger Professor für Kunstgeschichte Kurt Magritz nihilistische Tendenzen vor. Unbestritten ist aber heute sein Beitrag zur Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts. Das Werk von Ernst Barlach erschöpft sich dabei längst nicht nur in skulpturaler Arbeit. Auch als Zeichner und Schriftsteller hinterließ er ein eindrucksvolles Werk. So entstanden zwischen 1912 und 1927 sieben Dramen, die ein ähnliches Weltbild wie seine berühmten Holzplastiken und Bronzen vermittelten. Viele der Dramen spielten im Umfeld von Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern, wo er gemeinsam mit seiner Mutter Louise, seinem Sohn Klaus und seiner späteren Lebensgefährtin Marga Böhmer wohnte und arbeitete.

Ernst Barlach, Der Asket, 1925, © Ernst Barlach Haus –Stiftung Hermann F. Reemtsma, Hamburg, Foto: H.-P. Cordes, Hamburg
Frühwerk im Fokus

Der in Wedel in Schleswig-Holstein geborene Bildhauer verbrachte einen Teil seiner Lehrjahre in Dresden. Nach dem Kunststudium an der Kunstgewerbeschule Hamburg schloss sich ein Studium an der Kunstakademie in Dresden bis 1895 als Meisterschüler bei Bildhauer Robert Diez an. Insofern verwundert es fast ein bisschen, dass erst jetzt zum 150. Geburtstag des Künstlers die erste umfangreiche Retrospektive in Dresden stattfindet. Gemeinsam mit dem Ernst Barlach Haus – Stiftung Hermann F. Reemtsma in Hamburg und in Kooperation mit der Ernst Barlach Stiftung in Güstrow wird die Ausstellung etwa 150 Werke präsentieren. Im Mittelpunkt stehen dabei die Zeichnungen und Holzskulpturen Barlachs, für den Kunst „eine Sache allertiefster Menschlichkeit“ gewesen ist. Ein Fokus wird auf seinem noch vom Jugendstil geprägten Früh – werk liegen, das in Ausstellungen bisher ebenso wenig abgebildet wurde, wie Barlachs Studienzeit in Dresden. Thematisiert werden aber auch seine Ächtung als „entartet“ während der Zeit des Nationalsozialismus sowie seine Rezeption und hohe Anerkennung in beiden deutschen Staaten nach 1945.

Ernst Barlach zum 150. Geburtstag – Eine Retrospektive

8. August 2020 bis 10. Januar 2021
Albertinum, Dresden

www.skd.museum

Text: Philipp Demankowski

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