Längst kein Tabu mehr: Intimchirurgie
In seiner Dresdner Praxis LANUWA Ästhetik hat sich Dr. med. Marwan Nuwayhid unter anderem auch auf das Gebiet der Intimchirurgie spezialisiert. Tagtäglich erfährt er dabei, inwieweit das Körpergefühl von Betroffenen unter ästhetischen und funktionalen Störungen im Intimbereich leidet. Zwar steigt die Nachfrage nach Operationen in den letzten Jahren an, doch gleichzeitig ist das Thema nach wie vor ein gesellschaftliches Tabu.
Vor allem Frauen, die den Wunsch nach einer ästhetischen Veränderung im Intimbereich verspüren, werden mitunter verunglimpft. Um dieser Stigmatisierung entgegenzuwirken, wurde am 1. September 2018 die Internationale Gesellschaft für Rekonstruktive und Ästhetische Intimbehandlung (ISRAIT) gegründet, zu deren erstem Präsidenten Dr. med. Marwan Nuwayhid gewählt wurde. Die 14 internationalen Gründungsmitglieder kommen aus den unterschiedlichsten Fachbereichen: der Ästhetischen Chirurgie, Urologie, Gynäkologie sowie der Dermatologie. Die Vernetzung ist unbedingt notwendig, wird doch die Expertise aller Teildisziplinen bei intimchirurgischen Behandlungen benötigt. Im Interview mit Top Magazin Dresden/ Ostsachsen klärt Dr. med. Marwan Nuwayhid über die Aufgaben der Gesellschaft und den Fachbereich generell auf.
Was war der Gründungszusammenhang der Internationalen Gesellschaft der Intimchirurgie?
Die erste Idee zur Gründung der Gesellschaft reicht zurück ins Jahr 2010. Zunächst haben wir in Leipzig eine äquivalente Institution auf Landesebene aufgebaut, die Gesellschaft für ästhetische und rekonstruktive Intimchirurgie Deutschland (GAERID e.V.). Die GAERID hat sich seitdem schnell etabliert. Uns ist es gelungen, die Intimchirurgie von dem lange vorherrschenden Schmuddel-Image zu befreien. Auf den Jahrestagungen und mit der GAERID-Akademie tragen wir zur fachübergreifenden Professionalisierung durch intensiven Erfahrungsaustausch bei und entwickeln gleichzeitig innovative Behandlungsmethoden. Gerade im Bereich der Lasertherapie haben wir große Fortschritte gemacht. Viele Behandlungen setzen nicht mehr notwendigerweise eine Operation voraus. 2016 habe ich dann erste Kontakte zu internationalen Kollegen aus Europa, den USA, Lateinamerika und aus dem Nahen Osten aufgenommen. Im September dieses Jahres haben wir dann in Barcelona die ISRAIT gegründet.
Mit welchen Problemen haben die Betroffenen zu kämpfen?
Wie in allen Körperregionen treten auch im Intimbereich mit der Zeit Veränderungen auf, die von den Patientinnen unterschiedlich wahrgenommen werden. Besonders einschneidende Veränderungen kommen nach Schwangerschaften oder onkologischen Operationen vor. Die menschliche Körpermitte spielt nach ästhetischen Gesichtspunkten eine sehr große Rolle. Das Aussehen der weiblichen Vulva kann als genauso unangenehm wahrgenommen werden wie abstehende Ohren. Betroffene, die mit ihrem Intimbereich unzufrieden sind, leiden sehr stark darunter. Dabei gibt es nicht nur ästhetische, sondern auch unmittelbar körperlich erfahrbare Nachteile. Vergrößerte innere Schamlippen können durch die permanente Reibung Schmerzen und Entzündungen hervorrufen. Beim Sporttreiben oder Fahrradfahren werden sie als störend wahrgenommen. Und auch die Sexualität leidet unter einem disharmonischen Körpergefühl. Zudem entstehen gesellschaftliche Hemmungen. Der Gang in die Sauna oder das Duschen nach dem Sport wird vermieden.
Warum war der Schritt zur Gründung der Gesellschaft aus Ihrer Sicht notwendig?
Mit der Arbeit der Gesellschaft wollen wir dazu beitragen, dass die Intimchirurgie enttabuisiert wird. Wir wollen darüber aufklären, dass es Lösungsmöglichkeiten gibt und wie diese aussehen können. Viele Frauen wissen gar nicht, dass man vergrößerte Schamlippen korrigieren kann. Gleichzeitig wollen wir ein verlässlicher Ansprechpartner sein, denn auf dem Gebiet der Intimchirurgie gibt es leider auch viele Negativbeispiele. Kollegen mit wenig Erfahrung führen Operationen im Intimbereich durch, was mitunter zu schlimmen optischen und funktionalen Verstümmelungen führen kann. Als sich diese Fälle in meiner Praxis häuften, sah ich mich dazu gezwungen, etwas zu unternehmen.
Haben Sie mit der Gesellschaft auch die Möglichkeit, gegen Genitalverstümmelung vorzugehen, die ja vor allem im westlichen und nordöstlichen Afrika teilweise flächendeckend verbreitet ist?
Wir haben verschiedene Arbeitskreise etabliert. Neben der Spezialisierung auf Lasertherapie im Intimbereich, Transsexualität oder auch auf den Bereich Po-Chirugie widmet sich ein Arbeitskreis explizit dem Thema Weibliche Genitalverstümmelung (englisch: female genital mutilation, kurz FGM). Unsere Aufgabe in diesem Bereich liegt darin, Aufklärungsarbeit zu leisten und Patientinnen zu behandeln, die unter einer Genitalverstümmelung leiden. Das geht aber meist nur in den Heimatländern der Kolleginnen und Kollegen, wobei sich die Fälle auch in Deutschland durch die Zuwanderung häufen. Gleichzeitig bringen wir unsere Expertise in Länder mit einer hohen FGM-Quote, denn meiner Ansicht nach ist es das Beste, wenn wir die Kollegen vor Ort zu den adäquaten Behandlungsmethoden befähigen.
Haben Sie auch männliche Patienten im Bereich der Intimchirurgie?
Ich bin eigentlich Gynäkologe, weshalb ich weniger Männer behandle. Aber natürlich gibt es auch männliche Intimchirurgie, auch wenn die Fallzahlen deutlich geringer sind. Viele junge Männer leiden unter schlaffen Hodensäcken, wogegen eine Straffung durchgeführt werden kann. Auch Hodenimplantate werden nach Traumen oder Tumoren gesetzt. Generell ist die männliche Intimchirurgie aber noch ein recht junges Feld.
Interview: Philipp Demankowski