Der Osten in Form gebracht

Hässlichkeit verkaufte sich auch im Realsozialismus schlecht. Trotz Widrigkeiten wie Formalismusstreit und erzwungene Berufseinschränkungen die Produktgestalter der DDR ein Erbe hinterlassen, dass Ästhetik und Funktionalität vereint.

Als Produktdesign noch Formgestaltung hieß, gab es auch klarere Vorgaben. Die Leitgedanken des DDR-Designs jedenfalls fußten maßgeblich aus den Ideen von Horst Michel, der in Weimar als langjähriger Professor für industrielle Formgebung und Innengestaltung an der späteren Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar wirkte. Das von ihm gegründete Institut für Innengestaltung war ab 1954 auf Geheiß des Ministerrats für die gestalterische Betreuung sogenannter Gebrauchsgüterindustrien verantwortlich. Aus dieser Schule (und von Hochschule auf der Burg Giebichenstein in Halle/Saale) stammen einige der bekanntesten Produktdesigner der DDR, so etwa Wolfgang Dyroff, der Möbel und Baubeschläge entwickelte. Horst Michel und seine Schüler blieben dabei stets den Prinzipien des Deutschen Werkbundes treu, nach denen die „Veredelung der gewerblichen Arbeit im Zusammenwirken von Kunst, Industrie und Handwerk“ abgestrebt werden sollte. Ein weiterer wichtiger Einfluss war die skandinavische Schule und ihr Ideal vom „demokratischen Design“.

Langlebigkeit und Schönheit

Das Ziel war es, Ästhetik und Funktionalität in den Produkten zu vereinen. Modische Trends und Kitsch sollten zugunsten einer Langlebigkeit der Produkte ignoriert werden, die zudem für jeden demokratischen Bürger bezahlbar sein sollten. Ein Anspruch, der in der Devise „Guten Form“ vom in BRD-Architekten Max Bill zum Ausdruck gebracht wurde. Die Grundprinzipien, an denen sich die Produktdesigner diesseits und jenseits der Grenze orientierten, waren sich also nicht unähnlich. Teils bis Anfang der 1960er gab es sogar kreativen Austausch zwischen beiden Seiten. Eine Situation, die sich allerdings bald ändern sollte. Denn natürlich war nicht alles Gold, was glänzt. Die systemtypischen Störungen bekamen auch die DDR-Formgestalter zu spüren. Zentrale Direktiven wurden im Formalismusstreit ausgegeben. Im Wesentlichen hatte die vom sowjetischen Kulturoffiziers Alexander Dymschitz initiierte Debatte eine Beschneidung der Kunstfreiheit zur Folge. Alle Formen der Kunst hatten sich der Politik unterzuordnen. Unbedingt zu vermeiden war dagegen die Dekadenz des westlichen Kulturbetriebs. Auch Schmähungen, Berufsverbote und Entlassungen erlaubten sich die Machthaber.

Entlassungen und Niedergang

Darüber stolperte schließlich auch Horst Michel, dessen Produkteschau bei der V. Deutsche Kunstausstellung in Dresden 1962 vom Neuen Deutschland als „westlich dekadent“ verschrien wird. Noch schlimmer erwischte es, den niederländischen Architekten Mart Stam, der es mit seiner Vision von einer erschwinglich-ästhetischen Alltagskultur bis zum Rektor der Ostberliner Kunsthochschule in Weißensee geschafft hat. Bereits 1952 wird er allerdings im Zuge der Formalismusdebatte aus dem Amt gedrängt. In den 70er und 80er Jahren schreitet die Verstaatlichung dann immer weiter voran. Unternehmen, die im Alltag der DDR-Bürger beliebte Produkte herstellten, wurden zu volkseigenen Betrieben zusammengeschlossen und verloren ihre Identität. Die Kultur des DDR-Designs war am Ende.

Vereinzelte Farbspritzer

Unstrittig aber ist, dass auch in der DDR Produkte geschaffen wurden, die ästhetische Ausdauer und funktionale Langlebigkeit bewiesen haben. Der graue Schleier, der über dem DDR-Alltagsleben hing, wurde immerhin vereinzelt durch formschöne Produkte aufgeklart. Noch heute sind die klaren Formen und die durchaus mutige, aber dezente Farbgebung ein Augenschmaus. Auf den Folgeseiten beleuchten wir nun einige dieser DDR-Design-Klassiker. Alle Produkte sind in der ständigen Ausstellung des Museums „Welt der DDR“ zu sehen, das seit Ende Januar 2017 im Simmel-Hochhaus am Dresdner Albertplatz logiert. Ein Besuch der thematisch sortierten und äußerst umfangreichen Produktsammlungen lohnt sich in jedem Fall. Gerade bei Besuchern, die in der DDR großgeworden sind, stellen sich beim Rundgang die Erinnerungsfetzen wie von selbst ein.

Welt der DDR

Antonstraße 2A, 01097 Dresden
0351 56340888

www.weltderddr.de

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