Filmkritik „Birds of Passage – Das grüne Gold“: Wurzeln der Gewalt

Fotos: © 2018 Ciudad Lunar, Blond Indian, Mateo Contreras
0
Der kolumbianische Film „Birds of Passage – Das grüne Gold der Wayuu“ erzählt die Vorgeschichte der mächtigen Kokainkartelle, die das Land später in Atem halten werden.

Der Film „Birds of Passage“ beginnt 1968 und erzählt über die nächsten zwölf Jahre von gewalttätigen Umwälzungen in der nordkolumbianischen Wüste, die mit der Genese des lokalen Drogenhandels unmittelbar zusammenhängen. Dabei handelt es sich um eine Zusammenarbeit der beiden Kolumbianer Ciro Guerra und Cristina Gallego. Guerra hatte mit seinem vorherigen Film „Der Schamane und die Schlange“ für Aufsehen in der Arthouse-Kinowelt gesorgt, wurde die Geschichte um den deutschen Anthropologen und Völkerkundler Theodor Koch-Grünberg doch sogar für den Auslands-Oscar nominiert. Auch seine beiden Frühwerke „The Wandering Shadows“ (2004) und „Die Reisen des Windes“ (2009) gelten als Vorzeigefilme des kolumbianischen Films. Cristina Gallego trat zuvor hingegen vor allem als Produzentin in Erscheinung. Sie stand hier zum ersten Mal hinter der Kamera.

Foto: © 2018 Ciudad Lunar, Blond Indian, Mateo Contreras
Zwischen Überlieferung und Moderne

Mit „Birds Of Passage“ nähert sich das Regieduo dem Genre – film an. Gewalt wird da nicht ausgespart. Erzählt wird eine Geschichte über Drogenkriminalität, lange bevor der Name Pablo Escobar in den Berichten der internationalen Polizei behörden das erste Mal auftauchte. Sie spielt in den späten 60er und 70er Jahren im Siedlungsgebiet der Wayuu, einer kargen Steppenlandschaft im kolumbianischen Nirgendwo. Gehandelt wurde damals noch nicht Kokain, sondern Marihuana, das titelgebende grüne Gold. Es ist gewissermaßen die Vorgeschich te der großen Kartelle, die Kolumbien in den nächsten Jahrzehnten verwüsten werden. Gleichzeitig betrachten die beiden Regisseure wie auch schon in den vorhergehenden Filmen Guerras explizit die Ureinwohner Lateinamerikas, die sonst überwiegend vom Kino übergangen werden. Sie leben ein Leben zwischen Überlieferung und Moderne. Eine Zwischenexistenz, die schon im Kleidungsstil deutlich wird. Der Vermittlung der althergebrachten Traditionen räumt der Film viel Platz ein. So darf etwa bei Hochzeits- aber auch geschäftlichen Verhandlungen nur ein sogenannter Wortbote sprechen.

Foto: © 2018 Ciudad Lunar, Blond Indian, Mateo Contreras
Bittersüßer Kapitalismus

Trotzdem entstehen auch unter den Mitgliedern der indigenen Völker in der Region die gleichen Dynamiken, die auch in vielen Mafiafilmen durchexerziert werden. Großmannssucht, Gier und Neid bestimmen mehr und mehr die ehemals freundschaftlichen oder gar familiären Beziehungen. Es ist letztendlich das bittersüße Gift des Kapitalismus, das die Handlungen der Protagonisten immer stärker beeinflusst. Die Hauptfigur Rapayet steigt nur in den Drogenhandel ein, um die überteuerte Mitgift für die mächtige Matriarchin seiner Angebeteten zusammen zu bekommen. Später wird ein geradezu lachhaftes, mindestens aber dekadent modernes Haus mitten in der kargen Steppe gebaut. Als irgendwann brutal mit den überlieferten Traditionen gebrochen wird, bricht sich die Gewalt endgültig Bahn. Prophezeit wird der unvermeidliche Untergang, der genauso unaufhaltsam auf die Protagonisten zukommt wie in den üblichen Kapitalismuszyklen, in wunderschönen, aber auch bedrohlichen Traumszenarien, die allein schon den Kinobesuch wert sind.  

Birds of Passage – Das grüne Gold der Wayuu

Regie: Ciro Guerra, Cristina Gallego
Kinostart: 4. April 2019

Text: Philipp Demankowski

Sie interessieren Sich möglichweise auch für:

X