Filmkritik „Monos“: Trip ohne Wiederkehr

Fotos: ©NEON
0
„Monos“ ist ein vor Schlamm und Blut triefender Fiebertraum im südamerikanischen Dschungel und im Anden-Hochland

In einer abgelegenen Region hoch oben in den Anden ist eine Gruppe Jugendlicher als paramilitärisches Kommando stationiert. Sie bekommen ihre Befehle von einem Boten, der diese wiederum von einer nicht näher benannten „Organisation“ erhält. Ihre Aufgabe ist es, eine Kuh zu melken und auf eine US-amerikanische Kriegsgefangene namens „Doctora“ aufzupassen. Unnötig zu erwähnen, dass einiges schief gehen wird. Während des gesamten Films wird nicht gesagt, um welches Land es sich handelt, doch kennt man die Hintergrundgeschichte von Regisseur Alejandro Landes, könnte man Kolumbien als Ort des Geschehens zumindest vermuten. Der geborene Brasilianer wuchs in Ecuador und Kolumbien auf, lebt heute aber lebt in New York. Seine Familie flüchtete vor dem Guerillakrieg, der seit Jahrzehnten vor allem in den entlegenen Teilen Kolumbiens wütet und auch wegen dieser Abgeschiedenheit von der Außenwelt kaum noch wahrgenommen wird. Im Film geht es für den jugendlichen Partisanen- Trupp nach der Bergregion in den Dschungel.

Gefährliche Machtspiele

Die Anleihen an „Herr der Fliegen“ sind mehr als deutlich und werden mit einem aufgespießten Schweinekopf sogar direkt referenziert. Die Dynamiken, die zwischen den Jugendlichen entstehen, ähneln denen in William Goldings Robinsonade. In Abwesenheit von Erwachsenen oder anderer Autoritäten stoßen sich die Jugendlichen aneinander, testen ihre Grenzen aus und spielen Machtspiele. Liebe, Begehren, Drill und Gewalt sind treibende Faktoren, die ihr Verhalten bis zum Äußersten treiben. Die Tatsache, dass nur einer der Kindersoldaten, die auf die Kampfnamen Lobo, Patagrande, Bum, Schlumpf, Rambo, Lady und Schwedin hören, schon einmal in einem Film mitspielte, ist fast nicht zu glauben. Gerade in der unwirtlichen Umgebung im Dschungel kommt es zu Szenen, die einem vor Schlamm und Blut triefenden Fiebertraum gleichen. Für manche Protagonisten wird der Film mit fortschreitender Handlung zum Trip ohne Wiederkehr. Werner Herzogs Dschungel-Exzess „Aguirre, der Zorn Gottes“ mit seinem liebsten Feind Klaus Kinski kommt mehr als einmal in den Sinn. Auch zu „Apocalypse Now!“ gibt es Anleihen.

Filmisches Meisterstück

„Monos“ ist eben auch eine logistische Meisterleistung und schon deshalb mehr als sehenswert. Allein die Tatsache, dass die kolumbianische Nationalmannschaft im Kayak bei den haarsträubenden Wildwasser-Aufnahmen half und dass eine Familie von illegalen Goldgräbern im Hochgebirge die Crew mit ihren Zelten beherbergte, zeigt schon, mit welchen Herausforderungen die Filmcrew zu kämpfen hatte. Alle Anstrengungen haben sich aber gelohnt, denn auch ganz nüchtern betrachtet ist der Film ein Fest für die Sinne. Es gibt sowohl in den Anden als auch im Dschungel Einstellungen für die Ewigkeit. Eine Szene im Hochgebirge über den Wolken ist von solch ergreifender Schönheit, dass der Kontrast zur düsteren Handlung ganz besonders weh tut. Dazu kommt der Soundtrack von Mica Levi. Die Britin wurde bereits für ihre Herangehensweise bei Jonathan Glazers „Under The Skin“ und Pablo Larraíns „Jackie“ ausgezeichnet. Doch ihre Arbeit für „Monos“ steht nochmal auf einer anderen Stufe. Mit kurzen Synthesizerskizzen und natürlichen Klängen wie dem Pusten in eine Flasche kreiert sie eine Atmosphäre, die das Geschehen auf dem Bild perfekt umrahmt und das faszinierende Unwohlsein, das die Zuschauer unweigerlich befällt, noch verstärkt.

Monos
Regie: Alejandro Landes
Filmstart: 2. April 2020
Text: Philipp Demankowski

Sie interessieren Sich möglichweise auch für:

X