top kitchen stories: Der Strukturzauberer
Kaddi Cutz – Autorin, Redakteurin, Poetry Slammerin und Restaurantkritikerin – reist für das Top Magazin Dresden durch die Welt der gehobenen Gastronomie und fühlt regionalen Meisterköchen auf den Zahn. Erste Station: Marcel Spahn aus dem Restaurant ,,Das Palais” im Kempinski.
Pure Aromen und echtes Handwerk: Dafür steht Marcel Spahn, Küchenchef im Restaurant „Das Palais“ und Senior Executive Chef im Hotel Taschenbergpalais Kempinski Dresden. Der 41-Jährige, der einst bei Sachsens erstem Sternekoch Mario Pattis seine Ausbildung machte, bringt heute kleine Kunstwerke auf den Teller, die klassische Gerichte neu denken und mit besonderen Strukturen und Konsistenzen Überraschungsmomente schaffen.

Top: Du bist ehemaliger Profisportler, wie bist Du vom Eisschnelllauf in den Kochberuf geschlittert?
Marcel Spahn: Das war ein Zufall! Natürlich habe ich irgendwann angefangen, mir Gedanken zu machen, was nach dem Sport kommen könnte. Bei einem Glas Wein mit einem Freund in einem ganz kleinen Restaurant hier in Dresden habe ich jemanden kennengerlernt, der mich mit Mario Pattis bekannt gemacht hat. Bei ihm durfte ich mich in einem Praktikum ausprobieren. Nach zwei Wochen hat er mir einen Ausbildungsvertrag angeboten. Ich durfte schon nach sehr kurzer Zeit sehr viel selbstständig machen, selbst anrichten und die Amuses herstellen. Das hat mir großen Spaß gemacht und so habe ich mich entschieden, diesen Weg einzuschlagen. So ganz überraschend war das aber am Ende auch nicht, meine Großeltern hatten schon zu DDR-Zeiten das Café Friedrichstadt und auch meine Mutter hatte danach lange ein Restaurant, in dem ich immer mal ausgeholfen habe. Insofern habe ich zwei Hobbys zum Beruf gemacht!

Top: Braucht man zum Kochen denn ein besonderes Talent oder ist es letztlich auch ein Handwerk, das im Prinzip jeder lernen kann?
Marcel Spahn: Man braucht schon beides: Interesse, Durchhaltevermögen und vor allem große Leidenschaft für diesen Beruf! Entweder man liebt ihn oder man hasst ihn, dazwischen ist nichts.
Top: Inwieweit haben Dir Deine Erfahrungen aus Deiner ersten Karriere als Profisportler dabei geholfen?
Marcel Spahn: Ich habe früh gelernt, mit Druck und Stresssituationen umzugehen und da sehr bei mir zu bleiben. Und auch im Hinblick auf das Arbeitspensum war das hilfreich. Seit ich neun war, hatte ich ja neben Pflichtaufgaben wie Schule und Hausaufgaben immer Training und Wettkämpfe, wo es mal gut läuft und mal weniger gut. Da muss man dann für sich auch mal abschalten können. Wenn es mal nicht gut klappt, dann ist das eben so. Dann geht’s aber am nächsten Tag mit Vollgas weiter.
Top: Kannst Du Dich noch an das erste Gericht erinnern, dass Du selbst gekocht hast?
Marcel Spahn: Ja, das war Bauernfrühstück. Und danach Rostbrätel. Ganz einfach und klassisch.
Top: Wie würdest Du Deine kulinarische Handschrift von heute beschreiben? Worauf kommt es Dir an?
Marcel Spahn: Meiner Linie bin ich treu geblieben, ich mag es klassisch, aber mit modernem Twist. Man kann das Rad nicht neu erfinden, aber sich dem Zeitgeist anpassen. Für den Überraschungsmoment suche ich immer nach anderen Strukturen, Texturen und Konsistenzen, die man nicht erwartet und das Gericht für den Gast zum Erlebnis machen. Das war schon in der Lehre mein Ding, die Komponenten anders auf den Teller zu bringen, als man es kennt. Es gibt so viele Aromen und Nuancen, die man nicht unbedingt jeden Tag auf der Zunge hat, und mit denen man schöne, überraschende Effekte auf den Teller zaubern kann. Ob Filet, Short Rip oder Bäckchen – ich finde es spannend, den Hidden Champion zu finden, diesen bestmöglich in Szene zu setzen und so ein vermeintlich klassisches Gericht zu etwas Besonderem zu machen, es in das Rampenlicht zu rücken, das es verdient. Am Ende sind es zwei Dinge: Pure Aromen und echtes Handwerk.

Top: Der Herbst hat auch in Deine Küche Einzug erhalten. Welche Highlights hält die aktuelle Karte bereit und wie setzt Du das Spiel mit den Konsistenzen diesmal um?
Marcel Spahn: Wir haben eine Garnele, die wir mit einem extra hergestellten Salz würzen, im Ofen pochieren und vor dem Servieren nochmal abflämmen. Dazu ein grob-sämig-sahniges Erbsen-Minz-Püree und als Kontrast Zucchiniröllchen und Verjus-Kaviar. Außerdem ist der Herbst natürlich nicht denkbar ohne den Kürbis. Den gibt’s im Menü süß-sauer eingelegt und als Flan, den wir im Nachgang wieder in Kürbisform gebracht haben, begleitet von einem klassisch rosa gebratenem Lammrücken, ansautierten Artischocken, Tomatengel und gelben Mungal- Linsen.
Top: Hast Du ein Lieblingsprodukt oder auch eins, was Dir grundsätzlich nicht in die Küche kommt?
Marcel Spahn: Ich hasse Tomatenmark (lacht)! Das verwende ich aus Prinzip nicht. Das Konzentrat hat so einen penetranten Eigengeschmack, den ich überhaupt nicht mag, außerdem schimmert es immer rötlich durch und nimmt nach meinem Empfinden bei Soßen den Glanz raus. Da nehme ich lieber Schältomaten oder lasse Tomatensaft einreduzieren.
,,Küchengeheimnis”
So gelingt die perfekte Gans: Auf die Füllung kommt es an! Bei mir sind das ganz klassisch Zwiebel, Apfel und Orange. Zusätzlich kommt aber noch Chili und Zitronengras rein. Und auch wenn’s Arbeit macht: Alle halbe Stunde mit dem eigenen Saft übergießen, damit die Haut schön knusprig wird und das Fleisch saftig bleibt!
,,Zutatenliebe”
Ich bin großer Fan von Pimente d’Espelette, das ist ein baskischer Pfeffer mit leicht süßlicher Note und einer Schärfe, die sich erst nach und nach entwickelt und eine besondere Wohligkeit entfacht. Ein sehr spannendes und vielseitig einsetzbares Gewürz!
,,Genuss-Tipp”
Wenn ich frei habe und eine Auszeit brauche, findet man mich oft im Weingut Zimmerling. Da gibt es nicht nur hervorragende Weine, sondern auch beeindruckende Kunst anzuschauen. Für mich ein echter Wohlfühl-Ort, der alle Sinne anspricht!
Das Palais Restaurant I Hotel Taschenbergpalais Kempinski Dresden
Taschenberg 3 I 01067 Dresden I Telefon 0351 49 12 0
reservations.taschenbergpalais@kempinski.com
Redaktion: Kaddi Cutz