Prof. Platzbecker und die Medizin von morgen

Prof. Dr. med. Uwe Platzbecker / Foto: © UKD/Kirsten Lassig
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Gut ein halbes Jahr ist Prof. Dr. med. Uwe Platzbecker nun bereits der neue Medizinische Vorstand am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden. Wir trafen ihn zu einem Gespräch.

Der Nachfolger von Professor Michael Albrecht gilt als international renommierter Hämatologe sowie als ausgewiesener Experte für myelodysplastische Syndrome und akute myeloische Leukämien. Seine wissenschaftliche und klinische Laufbahn führte ihn unter anderem nach Leipzig, wo er als Direktor der Klinik für Hämatologie, Zelltherapie und Hämostaseologie am Uni­ver­sitätsklinikum Leipzig tätig war, sowie für zwei Jahre an renommierte Forschungseinrichtungen in den USA. Bereits vor seiner Zeit in Leipzig wirkte er viele Jahre in Dresden – als Arzt, Forscher und Hochschullehrer. Mit seiner Rückkehr nach Dresden übernimmt Prof. Uwe Platzbecker nun eine Schlüsselrolle für die medizinische Ent­wick­lung des Standorts. Seine neue Aufgabe versteht er nicht nur als berufliche Herausforderung, sondern als Chance, seine Hei­mat­­stadt Dresden medizinisch, wissenschaftlich und gesellschaftlich mitzugestalten.

Top: Herr Prof. Platzbecker, Sie sind nun seit über 150 Tagen im Amt – was hat Sie in dieser Zeit am meisten überrascht, womöglich auch bewegt, in Ihrer neuen Funktion?
Prof. Platzbecker: Mich hat besonders beeindruckt, mit wie viel Engagement und Professionalität die Mitarbeitenden tagtäglich unter teilweise sehr herausfordernden Bedingungen arbeiten. Die Energie und das Verantwortungsbewusstsein, das ich auf allen Ebenen spüre, haben mich nicht nur überrascht, sondern auch sehr bewegt. Gleichzeitig zeigt sich, wie wichtig Kommunikation, Transparenz und echtes Zuhören in einer Führungsrolle sind.

Top: Sie sprechen von „noch nie so herausfordernden Zeiten in der Medizin”. Was genau macht diese Zeit Ihrer Meinung nach so anspruchsvoll – und wie begegnet das Uniklinikum diesen Herausforderungen?
Prof. Platzbecker: Wir erleben eine Zeit multipler Krisen: de­mo­grafischer Wandel, Fachkräftemangel, wirtschaftlicher Druck und gleichzeitig enorme Fortschritte in Forschung und Technologie. All das trifft auf eine Versorgungslandschaft, die ohnehin unter Spannung steht. Unser Ansatz ist, diese Heraus­forderungen nicht nur als Belastung, sondern als Chance zur Transformation zu begreifen – durch eine klare strategische Aus­richtung, Investitionen in Digitalisierung, neue Versor­gungs­­modelle und den Ausbau interdisziplinärer Zusammen­arbeit.

Top: Als international profilierter Hämatologe bringen Sie klinische Exzellenz und Forschungsexpertise mit – wie fließen diese Erfahrungen nun in Ihre strategische Arbeit als Medi­zi­nischer Vorstand ein?
Prof. Platzbecker: Ich bringe ein tiefes Verständnis für die Perspektiven von Klinik und Forschung mit – und kenne die alltäglichen Spannungsfelder, in denen sich viele Mitarbeitende bewegen. Diese Erfahrungen helfen mir, Entscheidungen nicht nur auf Managementdaten, sondern auch auf ärztlichem Augen­maß zu treffen. Es ist mir ein großes Anliegen, klinische Ex­zellenz, Innovation und Menschlichkeit zusammenzudenken.

Top: Welche Rolle spielt für Sie die Verbindung von Hoch­leistungsmedizin und menschlicher Zuwendung – gerade in einer Universitätsklinik mit Versorgungsauftrag und For­schungs­schwerpunkt?
Prof. Platzbecker: Diese Verbindung ist essenziell. Tech­no­logisch sind wir heute zu unglaublichen Dingen fähig, aber ohne menschliche Nähe und Vertrauen verliert die Medizin ihre Kraft. Gerade in der Universitätsmedizin, die oft mit hochkomplexen Fällen befasst ist, muss der Mensch im Mittelpunkt stehen – als Patient, aber auch als Mitarbeitender. Für mich ge­hört beides untrennbar zusammen.

Top: Der Fachkräftemangel ist in nahezu allen Gesundheits­bereichen spürbar. Wie wollen Sie das Uniklinikum Dresden künftig als attraktiven Arbeits- und Ausbildungsort stärken?
Prof. Platzbecker: Wir investieren in moderne Arbeitsum­gebungen, in Weiterbildung und Führungskräfteentwicklung und schaffen Angebote, die echte Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ermöglichen. Wichtig ist mir auch, eine Kultur der Wertschätzung und Beteiligung zu etablieren – damit Mit­arbeitende das Gefühl haben, gehört und gebraucht zu werden. Nur so bleiben wir langfristig attraktiv.

Top: Die Universitätsmedizin steht zwischen klinischer Ver­sor­gung, akademischer Forschung und wirtschaftlichem Druck. Wie gelingt Ihnen die Balance zwischen diesen oft wider­sprüchlichen Anforderungen?
Prof. Platzbecker: Die Balance gelingt nur, wenn man diese drei Bereiche nicht als Gegensätze begreift, sondern als Teile eines gemeinsamen Auftrags. Wir benötigen klinische Ex­zel­lenz, um Forschungsdaten zu generieren, und Forschung, um neue The­rapien zu ermöglichen – beides wiederum trägt zur wirtschaftlichen Stabilität bei. Transparente Priorisierung, kla­re Kom­mu­nikation und strategisches Denken sind dafür entscheidend.

Prof. Dr. med. Uwe Platzbecker, Medizinischer Vorstand am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden / Foto: © UKD/Kirsten Lassig

Top: Welche Themen oder Projekte haben Sie sich persönlich für die kommenden Monate besonders auf die Agenda geschrieben? Gibt es ein Herzensanliegen?
Prof. Platzbecker: Ein zentrales Thema ist die sektorenübergreifende Versorgung – wie wir Klinik, ambulante Strukturen und Prävention besser miteinander verzahnen können. Außer­dem liegt mir die Weiterentwicklung unserer Nachwuchs­förderung am Herzen. Und: Ich möchte unsere universitäre Identität schärfen, sowohl im Hinblick auf Forschung als auch auf gesellschaftliche Verantwortung.

Top: Dresden entwickelt sich zunehmend zu einem Me­di­zin­technologie-Standort – sehen Sie hier Chancen für neue Allian­zen zwischen Klinik, Forschung und Industrie?
Prof. Platzbecker: Unbedingt. Dresden verfügt über eine exzellente Forschungslandschaft und innovative Unternehmen im Bereich Medizintechnologie und Life Sciences. Hier sehe ich großes Potenzial, neue Partnerschaften zu etablieren – etwa in der digitalen Diagnostik, individualisierten Medizin oder Robo­tik. Das wollen wir gezielt fördern, auch durch neue Transfer­strukturen.

Top: Wie nehmen Sie das Verhältnis zwischen Uniklinikum und der Stadtgesellschaft wahr? Welche Impulse möchten Sie setzen, damit das Klinikum als Teil Dresdens noch sichtbarer wird?
Prof. Platzbecker: Wir wollen aktiver in die Stadtgesellschaft hineinwirken – durch Kooperationen mit Schulen, kulturelle Veranstaltungen oder medizinische Aufklärung. Das Uni­klini­kum soll nicht als „Elfenbeinturm” wahrgenommen werden, sondern als Teil der Stadt, der mitgestaltet und Verantwortung übernimmt. Sichtbarkeit heißt für mich auch: nahbar und ansprechbar sein.

Top: Zum Abschluss eine persönliche Frage: Nach vielen Jahren an anderen Spitzenstandorten – was bedeutet es Ihnen, gerade in Dresden Verantwortung zu übernehmen?
Prof. Platzbecker: Nach vielen Jahren an verschiedenen Spit­zen­standorten empfinde ich es als besondere Ehre, in Dresden Verantwortung tragen zu dürfen. Diese Stadt hat eine große wissenschaftliche Tradition und zugleich ein lebendiges, zukunftsorientiertes Umfeld. Hier gestalten zu dürfen, erfüllt mich mit Demut – aber auch mit großer Motivation, gemeinsam etwas zu bewegen.

Interview: Philipp Demankowski

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