Freiheit zwischen Vision und Konflikt

Wolfgang Mattheuer (1927–2004), „Der Nachbar, der will fliegen” (Ausschnitt), 1984, Öl auf Leinwand, Ludwig Museum - Museum of Contemporary Art, Budapest, Foto: József Rosta / Ludwig Museum – Museum of Contemporary Art / © VG Bildkunst
0
Von historischen Revolutionen zu aktuellen Debatten: Eine Sonderausstellung im Deut­schen Hygiene-Museum beleuchtet die un­voll­en­de­te Geschichte der Freiheit.

Freiheit – ein Begriff, der seit Jahrhunderten Menschen inspiriert, bewegt und zugleich entzweit. In unserer heutigen Welt ist die Idee der Freiheit so umkämpft wie nie zuvor. Während in autoritären Staaten mutige Bürger:innen für ihre elementaren Rechte kämpfen, entzünden sich in demokratischen Gesell­schaf­ten hitzige Debatten darüber, was Freiheit bedeutet und wie sie gelebt werden kann. Ob es um die Einschränkungen während der Corona-Pandemie, den Klimaschutz oder die Frage nach offenen Grenzen geht – die Definition von Freiheit bleibt ein Spiegel unserer Zeit und ihrer Konflikte.

Die Diskussionen um Freiheit sind geprägt von Wider­sprü­chen. Während der Begriff in der Vergangenheit oft mit universellen Idealen wie Gleichheit und Gerechtigkeit verknüpft war, wird er heute zunehmend für gegensätzliche politische Ziele instrumentalisiert. So beanspruchen rechtspopulistische Bewe­gungen Symbole historischer Freiheitskämpfe für sich, obwohl sie sich gleichzeitig gegen eine liberale und offene Gesellschaft wenden. Diese Ambivalenz zeigt, wie wandelbar und zugleich umstritten die Idee der Freiheit ist. Sie fordert uns heraus, neu zu definieren, wie individuelle Rechte und das Gemeinwohl in Einklang gebracht werden können.

Büste der Freiheitsstatue auf dem Champ de Mars in Paris, auf der Weltausstellung von 1878, Pierre Petit (1832-1909), Fotografie, Musée Bartholdi Colmar – Reproduktion © C. Kempf

Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass Freiheit stets ein un­vollendetes Projekt war. Die großen Revolutionen seit dem 18.Jahr­hundert legten den Grundstein für die Freiheits­bewe­gungen des 20. Jahrhunderts, die in Polen, Tschechien und der DDR ihren Höhepunkt fanden. In Polen vereinte die Ge­werk­schaft Solidarność unter Lech Wałęsa breite Bevölkerungs­schichten in einem friedlichen Widerstand. In der Tschechos­lowakei schufen Intellektuelle wie Václav Havel mit der Charta 77 eine Plattform für den öffentlichen Widerspruch. Und in der DDR waren es mutige Einzelne, die den Anstoß für eine Be­we­gung gaben, die schließlich das autoritäre System zu Fall brachte. Diese Bewegungen verbanden Gewaltfreiheit, Dialog und ein Verständnis von Freiheit, das über nationale und soziale Gren­zen hinausging. Doch der Übergang zur Demokratie brachte nicht nur neue Möglichkeiten, sondern auch Enttäuschungen und Herausforderungen mit sich.

Die Ausstellung lädt dazu ein, Freiheit nicht nur zu betrachten, sondern aktiv zu erleben. An interaktiven Stationen können Besucher:innen ihre eigenen Vorstellungen von Freiheit erkunden. Eine „Freiheits-Murmelbahn“ regt dazu an, Ge­dan­ken in Bewegung zu setzen, während ein „Freiheits-Baro­meter“ die per­sönliche Wahrnehmung von Freiheit misst. Wer sich traut, kann beim „Freiheits-Karaoke“ in die Rolle großer Red­ner:innen schlüpfen und historische Worte von Martin Luther King bis Greta Thunberg neu interpretieren. Diese spielerischen Elemente machen Freiheit greifbar und schaffen Raum für Reflexion.

Die Errungenschaften der Freiheitsbewegungen von 1989 werfen eine zentrale Frage auf: Was bleibt von den Idealen, die einst den Wandel ermöglichten? Freiheit und Solidarität waren damals untrennbar miteinander verbunden – ein Prinzip, das auch heute Orientierung bieten könnte. In einer Zeit, in der in­di­viduelle Rechte oft mit dem Gemeinwohl konkurrieren, stellt sich die Herausforderung, ein neues Gleichgewicht zu finden. Die Ausstellung regt dazu an, über die Zukunft der Freiheit nach­zudenken und die nächste Seite dieser unvollendeten Geschichte zu schreiben.

Freiheit / Svoboda / Wolnošć
Eine unvollendete Geschichte
20.06.2025-31.05.2026
Deutsches Hygiene-Museum Dresden
Lingnerplatz 1, 01069 Dresden

Redaktion: Jörg Fehlisch

Sie interessieren Sich möglichweise auch für: