Manfred Lütz: „Der Sinn des Lebens”
In seinem Buch ,,Der Sinn des Lebens“ geht Manfred Lütz der zentralen Frage nach, die die Menschheit seit jeher bewegt: Was macht unser Dasein wirklich aus?
Auf humorvolle und zugleich tiefgründige Weise setzt er sich mit den Perspektiven der Philosophie, Theologie und Psychologie auseinander und bietet dabei überraschende Antworten. Lütz versteht es meisterhaft, komplexe Themen in eine leicht zugängliche Sprache zu kleiden, ohne an Tiefgang einzubüßen. Top Magazin Dresden sprach mit ihm über seine Ansichten und sein neues Werk.
Top: Was hat Sie dazu inspiriert, ,,Der Sinn des Lebens” zu schreiben, und was unterscheidet es von Ihren vorherigen Werken?
Manfred Lütz: Jeder Mensch hat die Frage nach dem Sinn des Lebens, gerade in Krisenzeiten wie heute. Aber es gibt kaum vernünftige Antworten. Die Kirchen zerlegen sich zurzeit selber und im Osten sind sie ohnehin schon fast verschwunden. Die politischen Parteien können ebenfalls kaum Sinn vermitteln, auch andere Institutionen nicht. Da bat mich der Verlag, ein Buch zu dem Thema zu schreiben und ich habe versucht, das ganz neu anzugehen. Es gibt ja viele Bücher über den Sinn des Lebens, wo irgendein Guru beschreibt, was für ihn der Sinn des Lebens ist. Das wollte ich natürlich überhaupt nicht. Mein Buch versucht den Lesern nicht irgendeinen „Lütz-Sinn“ zu vermitteln, sondern jeder Leser und jede Leserin sollen ihren eigenen höchst persönlichen Sinn im Leben finden, indem sie sich von den großartigen Kunstwerken, die in dem Buch zu sehen sind, in der Seele berühren lassen. Das wird bei jedem ein wenig anders sein.
Top: Welche zentralen Botschaften möchten Sie den Lesern mit diesem Buch vermitteln?
Manfred Lütz: … dass man den Sinn des Lebens sehen kann, nämlich in wirklich großer Kunst, wie es sie zum Beispiel in Rom gibt. Aber man braucht dafür gar nicht nach Rom zu fahren. Der Verlag hat dem Buch tolle Bilder beigegeben, so dass man das, was das Buch beschreibt, bei der Lektüre auch erleben kann. Zwar sind da römische Kunstwerke abgebildet, aber dennoch ist das kein „Rom-Buch“, da gibt es weiß Gott schon genug, es geht tatsächlich um den Sinn des Lebens für jeden einzelnen.
Top: Sie sprechen häufig über die Bedeutung von Religion und Philosophie. Wie fließen diese Themen in Ihr neues Buch ein?
Manfred Lütz: Im Mittelalter konnten die Menschen den Sinn des Lebens, ihre Weltanschauung und ihren Glauben, nur sehen, denn sie konnten zumeist gar nicht lesen und schreiben. Und so sahen sie das, was sie glaubten, in den Bildern ihrer Kirchen, der „Biblia pauperum“, der Bibel der Armen, wie man damals sagte. Heute spielen bei jungen Menschen der Instagram-Generation Bilder wieder eine große Rolle. Darauf antwortet das Buch.
Top: Gibt es eine besondere Anekdote oder ein Erlebnis, das in ,,Der Sinn des Lebens” beschrieben wird und Ihnen persönlich besonders wichtig ist?
Manfred Lütz: Da gibt es ganz viele Geschichten, denn das Buch erzählt nebenher die gesamte Geschichte und Kunstgeschichte der Stadt Rom von der Gründung 753 vor Christus bis heute. Ich habe es von einem bekannten Kunsthistoriker lesen lassen, damit das auch alles wirklich stimmt. Vor allem aber sollte es schön allgemeinverständlich und gut lesbar bleiben, denn Kunst ist ja von den Künstlern nicht für Experten geschaffen worden, sondern für ganz normale Menschen.

Top: Wie sehen Sie die Suche nach dem Lebenssinn in unserer heutigen, oft hektischen und technologiegetriebenen Gesellschaft?
Manfred Lütz: Wie gesagt, fallen die Kirchen weitgehend aus. Dabei wäre wenigstens das Christentum als Kitt in unserer Gesellschaft wichtig, übrigens auch für Atheisten. Gregor Gysi hat gesagt, er sei Atheist, aber er habe Angst vor einer gottlosen Gesellschaft, weil der die Solidarität abhanden kommen könne. Sozialismus sei schließlich nichts anderes als säkularisiertes Christentum. Deswegen ist das ein Buch für Christen und für Atheisten. Elke Heidenreich hat ein tolles Geleitwort geschrieben und sie behauptet ja immer, dass sie Atheistin sei, was ich ihr allerdings nicht wirklich glaube… Vor allem hat Elke Heidenreich eine hohe Sensibilität für große Kunst. Sie schildert in ihrem großartigen Buch „Ihr glücklichen Augen“, wie sie als 16-Jährige zum ersten Mal die Pietà von Michelangelo im Petersdom in Rom sah und so ergriffen war, dass sie in Tränen ausbrach. Es sei das größte Kunsterlebnis ihres Lebens gewesen, schreibt die fast 80-Jährige.
Top: Welche Rolle spielt der Humor in Ihrem Buch, und wie hilft er, ernste Themen zu vermitteln?
Manfred Lütz: Ich halte den Vortrag über das Buch auch im Kabarett in Köln, Bonn und anderswo, weil ich glaube, dass Menschen, die lachen, besser in der Lage sind, ihre Perspektive auf das Leben und die Welt mal zu ändern. Vor allem finde ich selber bierernste Vorträge langweilig und deswegen mache ich auch mir selber eine Freude, wenn ich über wichtige Fragen humorvoll rede. Mein Freund Eckart von Hirschhausen hat mich schon vor Jahren motiviert, mit meinen Themen auch ins Kabarett zu gehen. Kürzlich habe ich bei unserem großen Psychiater-Kongress in Berlin vor über 1000 Psychiatern über das Buch einen kabarettistischen Vortrag gehalten, das hat mir viel Spaß gemacht.
Top: Was erhoffen Sie sich, wie Ihre Leser das Buch aufnehmen und welche Diskussionen es anstoßen könnte?
Manfred Lütz: Es gibt ja nicht den einen Sinn des Lebens. Vielmehr gibt es nach meiner Überzeugung 8 Milliarden unterschiedliche Vorstellungen vom Sinn des Lebens, so viele wie es Menschen gibt. Auch jeder Leser des Buches wird ein bisschen anders von den Bildern berührt werden, wird ein anderes Lieblingskunstwerk finden und das ist auch gut so. Und selbst wenn er nur ein einziges Kunstwerk finden sollte, das ihn in der Seele berührt, dann hat das Buch schon seinen Sinn erfüllt. Ich bin dankbar, dass ich solche Rückmeldungen schon bekommen habe. Denn Kunsterlebnis hat aus meiner Sicht nur Sinn, wenn es einen so ergreift, dass man sein Leben – wenigstens ein ganz kleines Bisschen – ändert. Der Dichter Rainer Maria Rilke hat ein berühmtes Gedicht geschrieben mit dem Titel „Archaischer Torso Apollos“, das wunderbar einen herrlichen antiken Torso, also eine Skulptur ohne Kopf, beschreibt, der so kunstvoll gebildet ist, dass er noch die ganze Vitalität dieses dargestellten Menschen künstlerisch ausstrahlt. Und am Ende steht unvermittelt der Satz: „Du musst Dein Leben ändern“. Peter Sloterdijk hat diesen Satz zum Titel eines dicken lesenswerten Buches gemacht. Denn tatsächlich, vielleicht hat man Kunst nur dann richtig verstanden, wenn man anschließend an das Kunsterlebnis ein bisschen mehr vom Leben verstanden hat, also ein wenig anders lebt.
Redaktion: Sabine Dittrich