Staatlichen Kunstsammlungen Dresden: Herbst der Meisterwerke

William Kentridge, Still aus „More Sweetly Play The Dance", 2014, 7-Kanal-Projektion, 15:00 min, © William Kentridge, 2025
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Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden präsentieren ein facettenreiches Ausstellungs­programm – von alchemistischen Wundern bis zu zeitgenössischer Avantgarde.

Mit einem Programm, das von barocker Pracht bis zu zeitgenössischer Avantgarde reicht, laden die SKD in diesem Herbst dazu ein, Kunst in all ihren Facetten zu erleben. Die Museen öffnen ihre Türen für ein Feuerwerk an Aus­stel­lungen, das nicht nur Kenner, sondern auch Neugierige und Familien in seinen Bann zieht. Wer sich auf eine Reise durch die Häuser der SKD begibt, entdeckt nicht nur Meisterwerke, sondern auch Ge­schichten, die weit über die Grenzen Dres­dens hinausweisen.

Rotes Gold: Das Wunder von Herrengrund

Im Grünen Gewölbe erwartet die Besucher eine Ausstellung, die wie ein Schatz aus einer anderen Zeit wirkt: „Rotes Gold. Das Wunder von Herrengrund“ entführt in die Welt des frühneuzeitlichen Bergbaus. Vor rund 400 Jahren stießen slowakische Bergleute auf ein Phänomen, das an Alchemie erinnerte – zurückgelassene Eisenwerkzeuge verwandelten sich in den Grubenwässern wie von Zauberhand in wertvolles Kupfer. Was zunächst wie ein Märchen klang, wurde zum Motor einer einzigartigen Handwerkskunst. Die Arbeiter nutzten das gewonnene Kupfer, um daraus prunkvolle, vergoldete Schalen, Be­cher und Tafelaufsätze zu fertigen, die heute als kostbare Zeug­nisse einer vergessenen Epoche gelten. Rund 70 dieser filigranen Kunstwerke, die sowohl die Innovationskraft der Bergleute als auch die Virtuosität der Goldschmiede dokumentieren, sind nun in Dresden zu bewundern. Die Ausstellung schlägt ei­ne Brücke zwischen Naturwissenschaft, Handwerk und Kunst und lässt die Besucher eintauchen in eine Zeit, in der ein chemisches Wunder zum kulturellen Ereignis wurde.

Henkelschale, Herrengrund/Špania Dolina, frühes 18. Jahrhundert / © Bergbau- und Gotikmuseum Leogang, Foto: Susanne Bayer
William Kentridge: Ein Festival für den Weltstar

Mit einem Paukenschlag feiern die SKD und das Museum Folkwang den 70. Geburtstag von William Kentridge, dem in­ter­national gefeierten Künstler aus Johannesburg. Ab dem 6. Sep­tember verwandelte sich Dresden in eine Bühne für ein sammlungsübergreifendes Ausstellungsfestival, das Kentridges Schaf­fen in all seiner Vielschichtigkeit würdigt. Im Kup­ferstich-Kabinett stehen auf ausdrücklichen Wunsch des Künstlers seine eindrucksvollen Druckgrafiken im Mittelpunkt – Werke, die von politischer Schärfe und poetischer Kraft gleichermaßen geprägt sind. Das Albertinum wiederum wird zur Kulisse für eine filmisch inszenierte Prozession, in der Helden und Außenseiter auf den berühmten Dresdner Fürstenzug treffen und so ein faszinierendes Wechselspiel zwischen Tradition und Gegenwart entsteht. Besonders lebendig wird Kentridges Kunst in der Puppentheatersammlung, wo das von ihm ge­gründete „Centre for the Less Good Idea“ Schatten, Silhouetten und Objekte zum Leben erweckt. Den Auftakt dieses außergewöhnlichen Festivals bildet ein spektakulärer Prozessionszug durch die Dresdner Innenstadt – ein Ereignis, das Kunst, Stadt und Publikum auf einzigartige Weise miteinander verbindet und die kreative Energie Kentridges unmittelbar spürbar macht.

Die blauen Schwerter: Meissen in der DDR

Im Japanischen Palais öffnet sich ein neues Kapitel der Porzellangeschichte: Die Ausstellung „Die blauen Schwerter – Meissen in der DDR“ rückt erstmals die bewegte Zeit der berühmten Manufaktur in der zweiten Hälfte des 20. Jahr­hun­derts in den Fokus. Trotz der Spannungen zwischen barocker Tradition und sozialistischer Staatsform blieb das künstlerische Erbe Meissens prägend. Besonders das Kollektiv um Lud­wig Zepner, Heinz Werner und Peter Strang setzte mit seinen Entwürfen Akzente, die von tschechischen Trickfilmen, Ins­zenierungen des Berliner Ensembles und literarischen Motiven wie „1001 Nacht“ inspiriert waren. Die Präsentation lädt nicht nur zum Staunen ein, sondern auch zum Mitmachen: Besucher sind aufgefordert, eigene Erinnerungen, Geschichten und Schätze rund um das Meissener Porzellan zu teilen. So entsteht ein lebendiges Bild jener Epoche, in der Kunst und Alltag, Innovation und Tradition auf besondere Weise miteinander verwoben waren.

Bossiererin in der Meissener Porzellanmanufaktur, Gerhard Weber, 1988/1992 / © Stadtmuseum Meißen, Gerhard Weber
Fluxuriös! Kunst und Anti-Kunst

Im Archiv der Avantgarden entfaltet sich mit der Ausstellung „Fluxuriös! Kunst und Anti-Kunst der 1960er bis 1990er Jahre“ ein Panorama künstlerischer Radikalität. Die Fluxus-Bewe­gung, deren Name bereits auf das Fließende, Veränderliche verweist, stellte die Kunstwelt auf den Kopf: George Brecht, Joseph Beuys, Charlotte Moorman, Dick Higgins, Ben Vautier, Yoko Ono, Nam June Paik, Takako Saito und Wolf Vostell – sie alle verstanden Kunst als offenen, gesellschaftlichen Prozess, der sich jeder starren Form widersetzte. Mit spielerischer Subversion und ironischer Brechung wurden Konventionen hinterfragt, Grenzen ausgelotet und das Publikum zum Mit­gestalten eingeladen. Die Ausstellung zeigt, wie Fluxus als Haltung und Experimentierfeld bis heute nachwirkt und die Frage stellt, was Kunst eigentlich sein kann – und darf. Wer sich auf diese Reise einlässt, begegnet einer Kunst, die provoziert, inspiriert und immer wieder überrascht.

Wolf Vostell, Le Monde pour Marc, 1974 / © Archiv der Avantgarden – Egidio Marzona, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Herkules: Held und Antiheld

Ab November widmet sich die Gemäldegalerie Alte Meister einer der schillerndsten Figuren der Mythologie: Herkules. Halb Gott, halb Mensch, vereint er in sich Stärke, Mut und Tugend – doch ebenso Unbeherrschtheit und Zerstörungs­kraft. Die Ausstellung „Herkules. Held und Antiheld“ spürt den vielen Facetten dieses antiken Protagonisten nach und zeigt, wie Künstler über Jahrhunderte hinweg immer neue Deutungen fanden. Rund 100 Werke – von Skulpturen über Gemälde und Grafiken bis hin zu Medaillen und kunstvollen Objekten – lassen die wechselvolle Geschichte des Herkules lebendig werden. Besonders eindrucksvoll: Wertvolle Leih­gaben aus dem Prado in Madrid, dem Musée du Louvre in Paris und den Vati­ka­nischen Museen in Rom bereichern die Dresdner Präsentation. So entsteht ein faszinierender Dialog zwischen Antike und Ge­genwart, zwischen Heldentum und Zweifel, der die Besucher zum Nachdenken über die Am­bi­valenz menschlicher Natur einlädt.

Peter Paul Rubens, Der trunkene Herkules, von einem Satyr-Paar geführt, um 1613/14 / © Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden; Foto: Hans-Peter Klut
20 Jahre Gerhard Richter Archiv: Einblicke und Erinnerungen

Ein besonderes Jubiläum feiert das Gerhard Richter Archiv im Albertinum, das seit zwei Jahrzehnten als Schatzkammer für das Leben und Werk des berühmten Künstlers dient. Die Ausstellung „20 Jahre Gerhard Richter Archiv“ gewährt einen seltenen Blick hinter die Kulissen: Neben bekannten Werken werden vor allem bislang unbekannte Archivalien, Raritäten und Kuriosa präsentiert, die die Vielschichtigkeit von Richters Schaffen eindrucksvoll dokumentieren. Seit 2006 sammelt das Archiv alles, was mit dem Künstler in Verbindung steht – von frühen Skizzen bis zu persönlichen Notizen. Die Präsentation ist zugleich eine Hommage an Martin Roth (1955-2017), den visionären ehemaligen Generaldirektor der SKD, der maßgeblich die Gründung des Archivs in Richters Geburtsstadt Dresden vorantrieb. So wird das Jubiläum zu einer Reise durch die Geschichte der zeitgenössischen Kunst und zu einer Würdigung der Menschen, die sie bewahren.

Dynamische Öffnungszeiten: Flexibilität für das Publikum

Mit Blick auf die Bedürfnisse eines vielfältigen Publikums setzen die SKD auf ein flexibles Modell der Museumsöffnung. Bereits seit Jahresbeginn werden die Öffnungszeiten dynamisch an die saisonale Nachfrage und die Interessen der Besucher angepasst. So können einzelne Häuser temporär ihre Tore schließen, um zu anderen Zeiten – etwa zu besonders gefragten Sonderausstellungen – mit erweiterten Öffnungszeiten zu glänzen. Dieses Konzept ermöglicht es, Ressourcen gezielt einzusetzen und den Gästen ein optimales Kunst­erlebnis zu bieten. Die SKD beweisen damit, dass Tradition und Innovation in Dresden Hand in Hand gehen – nicht nur in den Ausstellungen, sondern auch im Service für die Besucher.

Redaktion: Jörg Fehlisch

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