Die Wiener Sängerknaben

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Stimmen, die Musikfreunde in der ganzen Welt mit ihrem einmaligen Klang verzaubern: Im Gepräch mit dem Präsidenten der Wiener Sängerknaben, Erich Arthold, über das Leben und Wirken der Mitglieder eines der bekanntesten Knabenchöre der Welt.

Im Jahr 1961 drehte Steve Previn für Walt Disney Pictures den Film „Almost Angels” („Ein Gruß aus Wien”) über die Wiener Sängerknaben. Medizinisch hatte es sich erwiesen, dass die Stimmen der Knaben vor dem Stimm­bruch sich zarter, einschmeichelnder, eben wie die, die wir von Engeln vermuten, anhören. Sie klingen himmlischer als die der Mädchen.

In Geschichtsbüchern kann man nachlesen, dass singende Knaben seit 1296 auf der Wiener Burg lebten. Zweihundert Jahre später ließ der römisch-deutsche Kaiser Maximilian I. in Wien eine Kapelle errichten, wohin Chorknaben aus Augsburg, Innsbruck und Freiburg im Breisgau geschickt wurden. Der Grundstein für die Wiener Sängerknaben war gelegt.

Im Jahre 2023 feierte nun der weltberühmte Knabenchor sein 525. Gründungsjubiläum. In Wien, im Augarten-Palais, leben die 94 Wiener Sängerknaben. Dort gehen sie auch zur Schule und werden vor allem musikalisch ausgebildet. Für die Welttourneen werden sie in vier Chöre aufgeteilt. In Wien, aber auch bei wichtigen Tourneen, werden musikalische Empfänge bei hohen Staats- oder Adelsbesuchen auch für die Wiener Sängerknaben protokollarisch miteingeplant.

Das Palais Augarten im 2. Wiener Gemeindebezirk wird seit 1948 von den Wiener Sängerknaben als Internat, Übungsstätte und Gymnasium genutzt. Das in einem weitläufigen Park gelegene Palais beherbergt ein Schwimmbad, Fußballplätze, einen Volleyballplatz, einen Basketballplatz und einen Turnsaal. Es besitzt eine hauseigene Kostüm- und Uniformschneiderei. / Foto: © www.lukasbeck.com

Die Wiener Sängerknaben sangen u.a. vor USA-Präsident John F. Kennedy, vor dem deutschen Kanzler Konrad Ade­nauer und dem ehemaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke. Danach plauderten sie ungezwungen mit ihnen. Das japanische Kaiserpaar Akihito und Michiko kam zu ihnen in den barocken Festsaal des Augarten-Palais, um ihre außergewöhnlichen Stimmen zu hören.

Während eines Benefizdinners auf Schloss Versailles machte Dr. Gerhard Hoerl, ein ehemaliger Sängerknabe, heute Stimm­bildner für die Wiener Sängerknaben, Lord Michael Anders-Cavendish neugierig, mehr über die großartige Insti­tution zu erfahren. Dr. Hoerl vermittelte ihm daraufhin ein Interview mit dem Präsidenten der Wiener Sängerknaben, Erich Arthold.

Top: Wien ist das Mekka für klassische Musik. War die große Maria Theresia an Musik interessiert? Und wie stand ihre Tochter Marie-Antoinette, spätere Königin Frankreichs, der klassischen Musik gegenüber?
Erich Arthold: Alle Habsburger waren sehr musikinteressiert. Musik war ein wesentlicher Bestandteil ihrer Erziehung. Sowohl Maria Theresia als auch Marie-Antoinette waren sehr gute Sängerinnen. Maria Theresia hörte sich die Sängerknaben bei den täglichen Messen an. Ein Sängerknabe, den die Kaiserin besonders schätzte, war Joseph Haydn.

Erich Artholt, Präsident der Wiener Sängerknaben / Foto: © www.lukasbeck.com

Top: Sangen die Sängerknaben auch vor der legendären Sissy?
Erich Arthold: Damals gab es nur zehn Hofsängerknaben. Sie sangen in erster Linie die Messen, an denen auch die Kaiserin Sissy in der Hofkapelle teilnahm.

Top: Wie kann man heute Sängerknabe werden? Muss man dafür Österreicher sein?
Erich Arthold: Nein. Man muss ein gutes Ohr haben, eine gesunde Stimme, ein Rhythmusgefühl und vor allem den Willen, an seiner Stimme zu arbeiten und den Wunsch, ein Teil der Gemeinschaft zu sein. Wir hatten in den letzten 15 Jahren Kinder aus 39 Nationen. Wer Sängerknabe werden möchte, dessen Eltern kontaktieren uns. Wir entscheiden dann gemeinsam.

Top: Wie steht es mit dem Schulunterricht?
Erich Arthold: Der Schulunterricht folgt dem hiesigen Lehrplan. Die Klassen sind kleiner, da ja immer ein Teil der Knaben auf Tournee ist. Im Augenblick sind zwei Chöre unterwegs, einer in den USA, der andere bei uns in Liech­tenstein, Deutschland und in der Schweiz.

2004 wurden parallel zu den Knaben die Wiener Chor­mädchen gegründet. Seit 2024 sind auch sie Schüle­rinnen unseres Gymnasiums. Im April 2026 werden sie in China singen. Ein bis zwei Mal im Jahr ge­ben die Knaben mit den Mädchen ein Konzert.

Top: Wie erfolgt die Ernährung der Sänger­knaben? Österreichisch oder international?
Erich Arthold: Beides. Wir haben einen indischen Chef, der alles kocht, was sich die Jun­gen wünschen. Zu Mittag gibt es stets eine Vor­speise, ein Salatbuffet, eine Hauptspeise und ein Nach­tisch­buffet. Bei den Haupt­ge­richten gibt es immer eine vegetarische Variante.

Top: Welche Sprache sprechen die Knaben unter sich?
Erich Arthold: Deutsch. Neue Jungs aus fremden Ländern verständigen sich erst einmal in Englisch. Aber Kinder lernen erfahrungsgemäß schnell eine neue Sprache.

links: Erasmus Baumgartner, Künstlerischer Leiter der Wiener Sängerknaben (© www.lukasbeck.com); rechts: Dr. Gerhard Hoerl, Stimmbildner der Wiener Sänger­knaben (© www.fayer.at / Nelson)

Top: Wie auch Dr. Gerhard Hoerl, waren der musikalische Leiter Erasmus Baumgartner und auch Sie ein Sängerknabe.
Erich Arthold: Ich war von 1974 bis 1978 ein Sängerknabe. Meine schönste Erinnerung an die Zeit war, die Uraufführung der revidierten Fassung von Leonard Bernsteins 3. Symphonie „Kaddisch” zu singen. Bernstein dirigierte. Er kam zur Probe lässig in einem Ringelpulli mit Halstuch, fing an zu dirigieren, wir sangen. Als wir fertig waren, ließ er den Taktstock sinken, legte den Kopf schief und sagte ganz verträumt so vor sich hin: „Wonderful”. Das war damals der Rit­ter­schlag für mich, den ich nie vergesse.Erasmus Baumgartner, Künstlerischer Leiter der Wiener Sängerknaben
Foto darunter: Dr. Gerhard Hoerl, Stimmbildner der Wiener Sänger­knaben.

Top: Was geschieht nach dem Stimmbruch mit den Knaben?
Erich Arthold: Wir bieten eine komplette Aus­bildung bis zur Matura an.

Top: Wo und wann treten die Sängerknaben noch vor Weihnachten, zum Neuen Jahr und im Frühjahr auf?
Erich Arthold: Aktuelle Termine finden Sie auf unserer Website: wsk.at/termine.

Auftritt im berühmten Großen (Goldenen) Musikvereinssaal, der als einer der schönsten und akustisch besten Säle der Welt gilt. / Foto: © www.lukasbeck.com

Top: Werden die Knaben dieses Jahr bei „Christ­mas in Vienna” dabei sein und wie sieht es zum Neu­jahrskonzert aus?
Erich Arthold: Zur Christmas in Vienna, am 19. und 20. Dezember, sind wir dabei. Nicht zum Neu­jahrskonzert 2026, da wir am 1. Januar 2025 da­bei waren. Insgesamt sangen wir in sieben Neu­jahrskonzerten. Jeden Sonntag sin­gen wir, mit Ausnahme der Sommer­mo­nate, die Messen in der Hofburgkapelle.

Text und Interview: Michel Anders-Cavendish

Ausführliche Informationen zu den Wiener Sängerknaben, Termine etc., unter www.wsk.at

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