Südmähren: Wo der Genuss zuhause ist
Zwischen Schlossgärten, Rebenmeer und der leisen Kunst des guten Lebens
Es gibt Orte, die nicht laut sein müssen, um sich tief einzubrennen. Orte, an denen man mit jedem Atemzug spürt, dass das Leben hier bewusst gelebt wird. Südmähren ist so ein Ort. Eine Landschaft aus weiten Weinbergen, eleganten Schlössern, jahrhundertealten Kellern und stillen Alleen. Und mittendrin: Menschen, die mit Hingabe kochen, keltern und erzählen. Wer hierher reist, taucht in eine Kultur des Genusses ein und entschleunigt ganz von selbst.
Der Morgen in Mikulov: Ein Wachwerden wie aus dem Bilderbuch
Der Tag beginnt in Mikulov, wo die weichen Pastellfarben der Altstadt mit dem frühen Sonnenlicht um die Wette leuchten. Oben thront das Schloss, das bereits die Habsburger liebten, während unten das Leben erwacht – in kleinen Cafés mit duftendem Strudel und regional geröstetem Kaffee. Beim Spaziergang durch enge Gassen voller Geschichte erzählt ein Stadtführer von der jüdischen Vergangenheit, vom Weinbau der Adligen und der Wiederentdeckung alter Rebsorten. Wir betreten einen historischen Weinkeller, so tief, dass die Temperatur konstant bleibt – ideal für die Lagerung der typischen Pálava-Traube, die hier auf Kalksteinböden gedeiht. Der junge Winzer Jan reicht uns ein Glas: floral, elegant, feinwürzig. Die Mährische Toskana, so wird diese Region genannt, hat ihren eigenen Charakter – ein Zusammenspiel aus Natur, Kultur und Klima, das sich in jedem Schluck widerspiegelt.

Lednice-Valtice-Areal: Genuss trifft Architektur
Kaum eine Landschaft vereint Kunstsinn und Kulinarik so harmonisch miteinander wie das Lednice-Valtice-Areal. Die Liechtensteiner Fürsten haben hier ein Ensemble erschaffen, das seinesgleichen sucht: gotisch-romantische Schlösser, riesige Parkanlagen, künstliche Ruinen oder ein Minarett, das wie ein Gruß aus dem Orient wirkt – eingebettet in eine Kulturlandschaft mit prachtvollen Weingärten. Im Schlosspark von Lednice flanieren wir entlang der Kanäle, machen Halt mit einem Picknickkorb, den uns das nahe Weingut gepackt hat: hausgemachter Aufstrich, knuspriges Gebäck, Ziegenkäse vom Nachbarhof und dazu ein kühler Veltliner aus der Region. Genuss wird hier nicht inszeniert – er fließt ganz selbstverständlich in jeden Moment ein. In Valtice, der ,,Weinhauptstadt” Mährens, wartet ein weiteres Highlight: der Nationale Weinsalon Tschechiens im Schloss Valtice. In den barocken Gewölben lagern die besten hundert Weine des Landes – von einer Fachjury ausgewählt. Wir kosten, vergleichen, lassen uns beraten. Hier wird Wein zur Sprache – zur Brücke zwischen Tradition und Moderne.

Die leisen Wege des Geschmacks
Südmähren ist ein Paradies für Genießer, die das Echte suchen. Statt großer Gourmettempel prägen kleine Familienbetriebe die kulinarische Szene – mit kreativer Landküche und ehrlichen Produkten. In einem Landgasthaus bei Sedlec serviert man uns Wildschweinrücken mit Holunderjus und Erdäpfelgratin, verfeinert mit Majoran und Mohn – alles aus dem Garten oder den umliegenden Wäldern. Dazu ein naturbelassener Orange-Wine mit Tiefe und Charakter.
Weinradeln & Wellness: Genuss in Bewegung
Auf dem Liechtenstein-Radweg lassen sich Kultur und Kulinarik wunderbar verbinden. Auf gut ausgeschilderten Strecken gleiten wir von Mikulov über Lednice bis nach Valtice – vorbei an herrlichen Weingärten, Aprikosenhainen und kleinen Kapellen. Die Weinstraßen sind sanft, das Tempo entspannt, die Pausen köstlich. Abends wartet ein neues Erlebnis: Vinotherapie in einem Spa bei Znojmo. Hier badet man im warmen Traubentrester, lässt sich mit Öl aus Traubenkernen massieren und blickt auf die Rebzeilen, die in der Abendsonne glühen. Wohlgefühl, das nicht aus dem Lehrbuch, sondern aus der Region selbst kommt.

Letzte Einkehr: Fest am Feuer
Der letzte Abend bringt noch einmal all das zusammen, was Südmähren ausmacht: Gastfreundschaft, Geschmack und Geschichten. In einem Weingarten bei Velké Bílovice versammelt sich eine kleine Runde um ein offenes Feuer. Es gibt Flammkuchen mit Kümmel, Zwiebel und Speck, dazu Marillenschnaps und eine große Portion Gelassenheit. Man spricht Tschechisch, Deutsch, manchmal beides zugleich – aber immer mit einem Lächeln im Gesicht.
Genuss, der bleibt
Südmähren ist eine Erfahrung, die man mitnimmt. In den Gaumen, ins Herz, in die Erinnerung. Zwischen dem goldenen Licht über den Reben, dem Klang von Weingläsern in alten Kellern und dem Duft von frischem Gebäck in den Morgengassen lernt man: Genuss ist hier kein Luxus, sondern ein Lebensgefühl. Und Südmähren ist sein stilles, leuchtendes Zentrum.
Redaktion: Sabine Dittrich