GESTERN, HEUTE, MORGEN

FRANZISKA KLOTZ, GLAS V 2023 (Ausschnitt), Öl auf Leinwand, 145 X 170 cm
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„Aschermittwoch” mit Arbeiten von Siegfried, Franziska und Niklas Klotz sowie Michael Wutz in der GALERIE HOLGER JOHN

Anlässlich der Ausstellung „ASCHERMITTWOCH – 80. Jahrestag der Zerstörung Dresdens” trafen wir Holger John zu einem Gespräch.

Top: Vom 22. Februar bis 30. März 2025 zeigen Sie in der GALERIE HOLGER JOHN die Ausstellung „Aschermittwoch”. Wie stehen die Werke – Malerei, Grafik und Skulptur – in Beziehung zum 80. Jahrestag der Zerstörung Dresdens?

Holger John: Man berührt Besucher nicht nur durch gute Kunst; auch Geschichten und Schicksale begleiten das Gesehene und beeinflussen die Vorstellungskraft. Anlass der Ausstellung ist zum einen der 20. Todestag meines Professors Siegfried Klotz, zum anderen das erstmalige Zusammenführen der Künstlerfamilie in einer gemeinsamen Ausstellung. Der 80. Jahrestag der Zerstörung Dresdens zeugt auch von unwiederbringlicher Zerstörung von Kunst. Bilder wie Mahnmal Frauenkirche, brennende Bücher, maskierte und demaskierte Gesichter, eindringliche Reliefs, die als Bildmaterial vorliegen, visualisieren eine Geschichte, die einem roten Faden folgt.

Meine Loschwitzer Tanten erzählten mir einst, wie sie am Morgen nach der ersten Bombardierung Dresdens, am Aschermittwoch, maskierte Kinder in Faschingskostümen, geschminkt als Csardasfürstin, Clown und Cowboy, tot im Schnee liegen sahen. Bilder, die man nicht vergessen kann und darf. 

Siegfried Klotz, „Akt mit Silberfuchs”, 104 x 135 cm

Top: Gezeigt werden Arbeiten von Siegfried, Franziska und Niklas Klotz sowie Michael Wutz. Siegfried Klotz war während Ihrer Studienzeit Professor für Malerei an der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Was konnten Sie damals von ihm lernen?

Holger John: Klotz war mein Lehrer im Grundlagenstudium, meine Kommilitonen waren u.a. Frank Nitzsche, Thoralf Knobloch, Hendrick Silbermann und Wolfram Neumann. Siegried Klotz war ein letzter Vertreter der Dresdner Malschule, der das Weiß noch als Farbe verstand und Zinkweiß gezielt einzusetzen wusste. 

Franziska Klotz, „Glas blau”, 2022, Öl auf Leinwand, 180 x 240 cm

Top: Sehen Sie eine künstlerische Verbindung zwischen den Werken von Siegfried Klotz und seinen Kindern?

Holger John: Seine Tochter Franziska hat die Farbigkeit des Vaters in Frische weiterentwickelt, Sohn Niklas verlässt bewusst die Fußstapfen des Malervaters, man könnte sogar meinen, konträr den Dogmen der Dresdner Enge. 

Niklas Klotz, „Satyr”

Top: Auch Arbeiten des 1979 in Ichenhausen geborenen Künstlers Michael Wutz sind Teil von „Aschermittwoch”. Wie fügen sich diese in die Ausstellung ein?

Holger John: Wutz, der Gatte von Franziska Klotz, zeigt ein Konvolut von 40 Aquarellen mit dem gleichnamigen Titel „Aschermittwoch“. Als Motive dienen Memes, Ikonen und Verkleidungen militant-faschistischer Online-Communities. Wutz sammelt, selektiert und sortiert seit Jahren dieses Maskenkabinett aus Selbstporträts und Selbstinszenierungen politisch motivierter Attentäter und School-Shooter in der Art einer urban-ethnografischen Sammlung. Die Auseinandersetzung mit dem bildmagischen Formenschatz des Faschismus als „ästhetifizierter Politik“ (Walter Benjamin) versucht der inhaltlichen Substanz dieser Ideologie und ihrer Ästhetik habhaft zu werden. Wutz entlehnt die Metapher „Aschermittwoch” aus Lukacs Kritik an Heidegger und dessen zentralen Begriffen „Angst“ und „Sorge“ nicht ohne Grund: alle gezeigten Masken wollen existentielle Ohnmacht als absolute Herrschaft verkleiden.    

Michael Wutz, „Aschermittwoch”

Top: Die Vernissage am 21.02. beginnt nicht in Ihrer Galerie im Barockviertel, sondern schon 18 Uhr im DenkRaum Sophienkirche. Was können Kunstfreundinnen und Kunstfreunde dort erwarten? 

Holger John:  Im „Glashaus”, einer gewagt modernen gläsernen Ummantelung der auf Anordnung von Walter Ulbricht gesprengten Sophienkirche, der neu errichteten Busmannkapelle, dem heutigen DenkRaum Sophienkirche, erwarten den Besucher zeitgenössische „Glas-Bilder“ (Ölfarbe auf Leinwand) der Malerin Franziska Klotz, die uns die Zerbrechlichkeit aufzeigen. Das Bild ist ein offenes Fenster. Aber die Wirklichkeit, die es eröffnet, liegt auf einer anderen Ebene: im Reich der Gedanken. Hier geht es um gesellschaftliche oder philosophische Fragen und um uns selbst. Im Spiegel (Glas V) können wir uns nicht sehen, sondern werden auf unseren Wunsch, uns zu spiegeln, zurückgeworfen.

Dazu kommt eine Serie von „Gods”-Porträts: transparente Gesichter (Digitaldrucke, Kaltnadel, Schleifpapier und Ölfarbe auf Acrylglas) von Niklas Klotz. 

Zum ersten Teil der Vernissage im DenkRaum Sophienkirche erhebt Torsten Ranft vom Staatsschauspiel Dresden die Stimme. Er rezitiert die Gedichte „Der Panther“ von Rainer Maria Rilke und „Die Maske“ von Stefan George.

Sylvia Paprzyca-Iwicki von Iwiczna, Studentin Bachelor of Arts in Kunstgeschichte Technische Universität Dresden und Praktikantin der Galerie Holger John, hält die Laudatio auf die Künstler.

Chiyan Wong, ein junger international gefeierter Pianist, begann seine musikalische Ausbildung in Hongkong und zog im Alter von zwölf Jahren nach England, um bei Norma Fisher an der Chethams School of Music und bei Christopher Elton an der Royal Academy of Music in London zu studieren. Er weilt erstmals in Dresden und lässt auf einem Bechsteinflügel seine Variationen zu den „Glasbildern“ erklingen.

Franziska Klotz, „GLAS V”, 2023, Öl auf Leinwand, 145 X 170 cm

Top: Was können die Besucherinnen und Besucher im Anschluss in Ihrer Galerie erwarten?

Holger John: Zum zweiten Teil der Vernissage begeben sich die Besucher auf einen Spaziergang über die Augustusbrücke oder mit der Straßenbahn ins Barockviertel. In der Galerie Holger John werden markante, kraftvolle Gemälde von Siegfried Klotz gezeigt: Ansichten der Frauenkirche, Porträts Dresdner Persönlichkeiten wie Eberhard Burger, Rolf Hoppe und Heinz Eggert, aber auch Akte, Puppen, maskierte Modelle und gespiegelte Selbstporträts, teilweise auch Leihgaben aus Privatsammlungen. 

Den Arbeiten von Siegfried Klotz stehen großformatige Malereien der Tochter wie Dresden-Stadtbilder, „Stadtplan“, „Fear and Mimicry“, blasse maskierte Mädchen gegenüber. Außerdem Marmorskulpturen und Reliefs mit realistischen Glasaugen von Niklas Klotz und die ungeschönt verstörende „Aschermittwoch“-Serie von Michael Wutz. 

Der Pianist Chiyan Wong ist ein zweites Mal an diesem Abend in der Galerie Holger John zu erleben. 

Franziska Klotz, Niklas Klotz und Michael Wutz werden zur Vernissage anwesend sein. 

Der DenkRaum Sophienkirche ist nur am 21.02.2025 von 18-19 Uhr geöffnet. 

Eine Ausstellung in KOOPERATION | GALERIE HOLGER JOHN DRESDENKORNFELD GALERIE BERLIN 

ASCHERMITTWOCH – 80. Jahrestag der Zerstörung Dresdens
SIEGFRIED KLOTZ | FRANZISKA KLOTZ | NIKLAS KLOTZ | MICHAEL WUTZ
Malerei | Grafik | Skulptur
Vernissage am Freitag, 21.02.2025, 18 Uhr: DENKRAUM SOPHIENKIRCHE, Sophienstrasse 2, 01067 Dresden / 19 Uhr: GALERIE HOLGER JOHN, Rähnitzgasse 17, 01097 Dresden 
Ausstellung vom 22.02.-30.03.2025

Interview: Jörg Fehlisch

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